Julia Collection Band 61 (German Edition)
würde er vollkommen wiederhergestellt sein, und dann würde sie ihn verlassen.
Er musste einen Weg finden, das hinauszuzögern. Jede noch so abwegige Begründung würde ihm recht sein, sie auf der Insel festzuhalten. Wenn schon nicht in seinem Bett, dann wenigstens in seiner Nähe, damit er wusste, dass es ihr gut ging.
Und in der Zwischenzeit – er griff nach Annies Hand und drückte ihr einen Kuss auf die Handfläche –, noch war der Sturm nicht ganz vorbei.
Schon vor Stunden hatte es aufgehört zu regnen, und Annie bekam erneut Bedenken. Sie schwang die Beine über die Sofakante, setzte sich aufrecht hin und stellte die Teetasse neben den leeren Teller. Während der Sturm die Insel beherrschte, war alles so einfach und klar erschienen. Aber jetzt? Was würde jetzt passieren?
Die Idee, sich zu lieben, solange der Sturm sie im Haus einschloss, hatte gut geklungen. Sie war sicher gewesen, dass sie und Nick danach normal freundlich – wenn auch distanziert – miteinander umgehen könnten. Aber sie hatte sich getäuscht.
Ihr Körper erinnerte sie bei jeder Bewegung daran, was vorgefallen war. Muskeln schmerzten, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass diese existierten. Aber sie wäre sofort bereit, ihn erneut zu lieben, wenn Nick sie wollte.
Leider war er nicht da. Er war nach draußen gegangen, um die Generatoren anzuwerfen und zu überprüfen, welche Schäden entstanden waren. Nach den Delfinen wollte er erst sehen, wenn er sich vergewissert hatte, dass das Haus keinen größeren Schaden erlitten hatte, von der Palme in ihrem Badezimmer einmal abgesehen.
Sie fand ihre Shorts und das Top auf dem Fußboden hinter dem Sofa und schlüpfte hinein. Dann ging sie ruhelos umher. Wie konnte sie nur erreichen, dass Nick sie nicht wegschickte? In Gedanken versunken trat sie hinter den großen Schreibtisch und ließ sich in den Drehsessel fallen. Sie lehnte den Kopf zurück und holte tief Luft. Sie könnte es nicht ertragen, wenn sie ihn verlassen müsste.
Hinter ihr an der Wand hingen die Bilder von Christina, seiner Frau, die er so sehr geliebt hatte. Sie wollte diese Frau hassen, aber sie konnte es nicht. Eine Tote, die sich nicht wehren konnte, durfte man nicht hassen. Und die Geschichte ihrer kurzen Ehe war so tragisch.
Annie fragte sich, ob die starke körperliche Faszination, die sie offensichtlich auf Nick ausübte, ihm helfen konnte, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Wahrscheinlich nicht. Aber sie wollte ihm so gern dabei helfen, wieder etwas Glück im Leben zu finden. Und wenn er dieses Glück bei ihr finden konnte, umso besser.
Sie öffnete die Augen und musterte seinen Schreibtisch. Auf keinen Fall wollte sie in Selbstmitleid verfallen. Nick war offenbar sehr ordentlich, was sie nicht weiter verwunderte. Alle Papiere waren in entsprechende Mappen und Ordner einsortiert, nichts lag herum. Dann erregte ein Buch mit einem prächtigen, schimmernden Einband ihre Aufmerksamkeit, denn es passte so gar nicht zu dieser sterilen Ordnung.
Annie nahm es vorsichtig in die Hand. Das musste das Märchenbuch sein, das er von der alten Zigeunerin bekommen hatte. Sie schloss die Augen und strich über den Einband. Sofort verspürte sie ein leichtes Kitzeln an der Handfläche, fast schon ein Vibrieren. Dies war kein normales Buch. Vielleicht hatte es tatsächlich Zauberkräfte. Gerade als sie es öffnen wollte, betrat Nick das Büro.
„In wenigen Minuten sollte das Wasser heiß genug sein für eine Dusche“, sagte er lächelnd.
Annie legte das Buch aus der Hand und stand auf. „Ist das Unwetter nun endgültig vorbei?“
„Noch nicht ganz. Der Wetterdienst meint, es wird schon noch ein paar Stunden dauern, bis der Sturm ganz abgeflaut ist. Also werde ich auch noch ein bisschen warten, bevor ich zu den Delfinen gehe.“
„Um die Delfine mache ich mir keine Sorgen. Du hast doch sehr gute Leute.“
Er legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. „Ich stelle immer nur die besten ein.“ Lächelnd zwinkerte er ihr zu. „Aber jetzt will ich erst mal sehen, ob ich den Schaden in dem neuen Hausflügel wenigstens provisorisch beheben kann.“
Annie musterte ihn verstohlen und fand zu ihrer Erleichterung keine Spur des Bedauerns in seiner Miene. Im Gegenteil, seine blauen Augen funkelten übermütig, und er hatte Mühe, sich von ihr zu lösen. Es tat ihr gut zu sehen, dass er sie immer noch begehrte.
Nick zog sie nun an sich und küsste sie hart und
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