Julia Collection Band 62
plötzlich förmlich spürbar.
Der Kuss.
Das war das Problem. Der Grund für die plötzliche peinliche Stille. Beide dachten sie an den Kuss.
Die ganze Nacht aufzubleiben, um dein Herz einem Fremden auszuschütten, den du gerade geheiratet hattest, war bizarr genug, aber das Ganze mit einem Kuss zu besiegeln schien noch verrückter. Diese Sache hätte nie passieren dürfen.
Genau um diese Zeit herum hatten sie das Restaurant verlassen. Gray wollte zurück zum Hotel, um auszuchecken. Das heruntergekommene Motel, in dem Jill und die anderen Mädchen wohnten, lag in entgegengesetzter Richtung, sodass nun der Augenblick ihres Abschieds gekommen war.
Der Morgen war kühl gewesen. Nebel hing in der Luft. Sie trug immer noch das wunderschöne Designer-Brautkleid vom Abend zuvor. Nicht gerade warm, und Gray hatte ihr Stunden vorher seine Jacke geliehen.
Die Jacke war ihr viel zu groß, aber die Wärme spürte sie mehr als nur physisch. Es war fast, wie in Grayson McCalls starke Arme geschlossen zu sein.
Und nun war es an der Zeit, sich von der Magie zu lösen. Langsam hatte sie angefangen, die Jacke aufzuknöpfen.
„Behalte sie erst mal“, hatte er sie plötzlich gebeten. „Du kannst sie mir zurückschicken. Ich habe dir meine Adresse ja gegeben.“
„Nein, Gray, ich …“
„Behalte sie“, beharrte er.
Also hatte sie langsam genickt und in sein Gesicht geschaut und etwa dreißig Sekunden vorher gewusst, dass er sie küssen würde …
„Mist!“ Gray hatte nicht aufgepasst, und so war etwas Fett auf seine Hand gespritzt.
Idiot! schimpfte er innerlich. Er ging sofort zur Spüle und hielt die schmerzende Hand unter den kalten Wasserstrahl, um die Verbrennung zu kühlen. Wenn er nicht achtgab, würde sich die Wunde entzünden, und er würde die Hand ein paar Tage lang nicht benutzen können. Trotz seiner schnellen Reaktion würde sie ihm heute bei der Arbeit sowieso wehtun.
Er wusste genau, warum er sich nicht konzentriert hatte. Er hatte an den Kuss gedacht. Sie auch. Die Luft war voll von Erinnerungen.
Himmel, er erinnerte sich an jede Sekunde und jedes Detail, obwohl es nun schon sechs Monate zurücklag. Ihre Nase war kalt gewesen, als sie gegen seine Wange stieß. Ihr Mund schmeckte süß und warm und weich, genau so, wie er es sich vorgestellt hatte. Sie hatte mit ihren Fingern sein Haar durchkämmt und die Seide ihres Kleides an ihn gepresst. Seine Jacke hatte sie ihm wie versprochen zurückgeschickt. Sie war zwei Tage nach ihm angekommen.
„Lass mich diese Verbrennung ansehen, Gray“, verlangte Jill mit Sorge in der Stimme. „Es sieht übel aus.“
„Kaltes Wasser ist das Beste.“
„Ich weiß, aber nicht einfach nur unter dem Strahl. Es ist besser, wenn du sie in einer Schüssel mit Wasser kühlst. Meinst du, du bekommst Brandblasen?“
„Ich denke nicht. Ich habe ziemlich schnell reagiert.“
„Das stimmt. Das Fett ist aber auf deiner Haut fest geworden, lass es mich abwaschen.“
Sie füllte eine Schüssel mit Wasser, und er tauchte seine Hand hinein. Ruhig stand er da, als sie mit einem Tuch sanft über den Rücken seiner Finger rieb. Die Verbrennung war schlimmer, als er zuerst geglaubt hatte, und das alles nur, weil er an den Kuss gedacht hatte.
Er tat es immer noch.
Ihre Hände hatten sich berührt, so wie jetzt auch. Sie hatten ihre Finger miteinander verflochten. Er war einige Zentimeter vorgetreten, um seine Beine hart gegen ihre zu pressen. Er hatte sie, den Moment, die Erinnerung für immer gefangen nehmen wollen.
Sie müssen ein seltsames Bild abgegeben haben, wie sie da vor dem Restaurant standen. Der Cowboy und seine Märchenbraut, die sich im Licht der ersten Sonnenstrahlen küssten.
Nur war ihm das vollkommen gleichgültig gewesen. In dieser einen, langen Minute hatte für ihn nichts anderes in der Welt existiert als ihr sanfter Körper, ihre süßen Lippen und ihre zärtliche Stimme, die seinen Namen hauchte.
„Gray? Gray, ich glaube, du solltest mal nach den Eiern schauen.“
„Mist.“
Er nahm seine Hand aus dem Wasser und ging zurück zum Herd. Zum Glück war nichts verbrannt. Ein paar Minuten später hatten sie Brot im Toaster, Kaffee in den Tassen und die Rühreier mit Speck auf den Tellern. Die Dinge schienen allmählich wieder unter Kontrolle zu geraten.
Doch dadurch wirkte das Timing noch perfekter, als Louises Schritte sich durch den langen Flur näherten.
„Jill?“, begann sie, sobald sie die Küche erreichte.
„Ja, Louise?“
„Sam rührte
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