Julia Exklusiv Band 0197
Freundin zu sein.“
Die Worte ihrer Schwiegermutter rührten Isobel so sehr, dass sie ihr mit Tränen in den Augen ins Gesicht blickte.
„Was ist los?“, erkundigte sich Leandros, der unbemerkt auf die Terrasse zurückgekommen war. „Stimmt etwas nicht?“
„Im Gegenteil“, erwiderte sie. „Sag mir lieber, wie es Silvia geht.“
„Blendend“, erklärte er. „Sie hat so ausgelassen getanzt wie ein junges Mädchen, und Theron hat mit ihr geflirtet, als wäre er zwanzig. Dabei ist er siebzig.“
Spontan umarmte Isobel ihn und schmiegte sich an ihn. „Versprich mir, dass du mich nie wieder gehen lässt.“
„Ich verspreche es dir.“
Kurz darauf saßen sie wieder im Auto und waren auf dem Weg nach Hause. Leandros und Isobel sprachen kaum ein Wort. Dafür sprudelte Silvia vor Begeisterung förmlich über und erzählte freimütig von den Plänen, die Theron und sie für den nächsten Tag hatten.
„Offenbar hat Silvia einem der reichsten Männer Griechenlands den Kopf verdreht“, sagte Isobel zu Leandros, als sie endlich in ihrem Schlafzimmer waren und sich für die Nacht fertig machten.
„Sie scheint ihrer Tochter nacheifern zu wollen“, erwiderte er und beobachtete voller Vorfreude, wie seine Frau das letzte Kleidungsstück auszog. Nun trug sie nur noch den Schmuck. „Ob wir wohl genauso impulsiv sind wie die beiden, wenn ich siebzig bin? Immerhin bist du dann auch schon …“
„Weißt du nicht, dass das Alter einer Frau tabu ist?“, unterbrach sie ihn.
Für die kommenden Stunden war es das einzige Tabu, an das sie sich hielten. Doch auch wenn sie sich mit der vertrauten Hingabe und Leidenschaft liebten, war diese Nacht in einer Hinsicht anders als sonst. Mit jeder Berührung, die sie sich schenkten, schienen sie den Schwur erneuern zu wollen, den sie vor vier Jahren abgelegt hatten. Und als sie in der Dämmerung erwachten, waren sie von dem Vertrauen darauf beseelt, dass ihre Liebe stark genug war, um in Zukunft auch die schwerste Prüfung zu bestehen.
Zum Frühstück fanden sie sich zu zweit auf der Terrasse wieder. Silvia hatte sich eine Tasse Tee aufs Zimmer bringen lassen, weil sie sich auf ihre Verabredung mit Theron vorbereiten wollte. Als er schließlich kam, um sie abzuholen, konnte er sie nur mühsam dazu überreden, den Rollstuhl mitzunehmen. Isobel war ihm sehr dankbar dafür und scheute sich nicht, es ihm mit einem herzlichen Lächeln zu verstehen zu geben.
So schwer es ihm fiel, musste auch Leandros irgendwann aufbrechen, um sich wenigstens für einige Stunden um die Firma zu kümmern. Nachdem sie in aller Ruhe zu Ende gefrühstückt hatte, überlegte Isobel, was sie bis zu seiner Rückkehr machen sollte. Schließlich kam sie auf die Idee, in die Stadt zu fahren und sich neu einzukleiden. Seit Tagen trug sie die olivgrüne Hose, die er immer als „Kampfanzug“ bezeichnete. Doch der Kampf war beendet, und da sich in ihrem Gepäck nichts anderes fand, würde sie sich etwas Neues besorgen müssen.
Ehe sie ihren Entschluss in die Tat umsetzen konnte, kam Allise und händigte ihr einen Briefumschlag aus, den gerade ein Bote gebracht hatte. Auf dem Umschlag war kein Absender vermerkt, und vielleicht hätte es sie misstrauisch machen müssen. Allerdings war sie viel zu guter Stimmung.
Es änderte sich sofort, als sie ihn geöffnet hatte und angewidert die Fotos zu Boden warf, die jemand ihr auf diesem Weg zugespielt hatte. Ohnmächtig vor Wut und Enttäuschung, sprang sie auf und lief unter Allises ratlosem Blick los, ohne zu wissen, wohin.
9. KAPITEL
Als sich ihr Puls wieder halbwegs normalisiert hatte, fand Isobel sich in dem Anbau wieder, in dem ihre Mutter untergebracht war. Früher hatte sie hier ihr Fotolabor aufgebaut, und ein Teil der Ausrüstung stand heute noch dort. Dass sie instinktiv an jenem Ort Zuflucht gesucht hatte, an den sich Leandros nur selten verirrte, sagte mehr über ihre Verfassung aus als die leichte Übelkeit, die sie befallen hatte.
Noch vor wenigen Minuten hatte sie die Rückkehr ihres Mannes herbeigesehnt. Nun war sie versucht, in aller Eile ihre Koffer zu packen und die Villa zu verlassen, um ihm nicht begegnen zu müssen. Lieber ein Feigling als eine Mörderin, dachte sie verzweifelt.
Leandros hatte in seinem Büro einen Briefumschlag ohne Absender vorgefunden. Das kam häufiger vor, und normalerweise warf er solche Post ungelesen in den Papierkorb. Warum er an diesem Morgen eine Ausnahme machte, wusste er selbst nicht. Doch sobald er die
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