Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
Es war, als sei die Luft um ihn herum mit seiner Energie aufgeladen.
Es kostete ihre ganze Willenskraft, nicht aufzusehen und sich weiterhin auf das Spiel mit Ameerah zu konzentrieren.
Das Kind war zu ihr gekommen, weil es sich allein oder in der Gesellschaft seines Kindermädchens langweilte. Es wäre in ihren Augen das Natürlichste auf der Welt gewesen, hätte Hanif sich zu ihnen gesellt, die Kleine in den Arm genommen und mit ihr gespielt.
Obwohl Lucy nicht wusste, wie es sich anfühlte, von einem Vater oder einer Mutter hochgehoben und an sich gedrückt zu werden, hatte sie es stets bei anderen Kindern gesehen, wenn diese von der Schule abgeholt worden waren. Sie hatte damals sehr darunter gelitten, keine solchen Eltern zu haben, und deshalb hätte sie sich am liebsten Hanif zugewandt und ihn aufgefordert, sich ihr und Ameerah anzuschließen. Doch er hatte offensichtlich beschlossen, Distanz zu diesem kleinen Mädchen zu wahren, das ihn mit seinen dunklen Haaren und leuchtenden Augen zu sehr an die Frau erinnerte, die er verloren hatte.
Es war nicht nur seine Trauer, die ihn veranlasst hatte, sich an diesen Ort zurückzuziehen. Es war auch Wut. Und vermutlich hatte er auch Schuldgefühle, weil er nicht in der Lage gewesen war, seine Frau zu retten, und es jetzt nicht einmal übers Herz brachte, dem Kind ein Vater zu sein, für das Noor sich geopfert hatte.
Unbeweglich stand seine Gestalt im Schatten der Bäume, unfähig, einen Schritt auf Lucy und Ameerah zuzugehen, die unsichtbare Schranke zu durchbrechen.
„Hast du Hunger?“, fragte Lucy das Kind. „Aakul?“ Sie zog das Mädchen an sich und streichelte über seinen Bauch. „Was magst du essen? Hühnchen? Humus? Oder Ziegenkäse?“
Die Kleine kicherte und schmiegte sich in Lucys Arme.
„Vor allem brauchen wir Papier und Stifte, damit du mir aufzeichnen kannst, was du willst“, überlegte Lucy laut.
In diesem Augenblick wusste Hanif, dass sie ihn gesehen hatte.
Nichts an ihrem Verhalten hatte sich verändert, und doch spürte er, dass ihre Aufmerksamkeit nicht mehr allein dem Kind galt.
Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu den beiden zu gesellen.
Er ging auf das Häuschen zu, vor dem Lucy und Ameerah saßen, und bemerkte, dass auch Fathia dort auf einem Liegestuhl lag und sich ausruhte. Fathia war damals auch sein Kindermädchen gewesen, und er liebte sie von ganzem Herzen.
Hanif wusste nicht, was seine Mutter sich dabei gedacht hatte, sie hierher zu schicken. Fathia war schon lange im Ruhestand und hätte in diesem Augenblick in ihrem eigenen Garten sitzen und sich von ihrer Familie umsorgen lassen sollen, anstatt einer Dreijährigen hinterherzulaufen. Ameerah brauchte ein jüngeres Kindermädchen, jemanden, der mit ihr spielen und herumalbern konnte. Jemanden wie Lucy.
Ameerah schreckte zusammen, als Hanif überraschend neben ihnen erschien.
„Ich werde veranlassen, dass ein Mittagessen für drei Personen hier im Garten serviert wird“, informierte er Lucy, bevor er sich wieder zum Gehen wandte.
„Han“, rief Lucy hinter ihm her, „werden Sie denn nicht mit uns essen?“
„Nein.“ Der Klang ihres Lachens hatte ihn hierher gelockt, und wenn sie allein gewesen wäre, hätte er sich ihr vermutlich angeschlossen. Doch Ameerahs Gegenwart hatte ihm wieder die Wirklichkeit vor Augen geführt. „Es tut mir leid, aber ich muss in den Stallungen nach dem Rechten sehen.“
Damit zog er sich zurück. Doch bevor er in den Stall ging, betrat er noch einmal sein Arbeitszimmer. Er stöberte in einem Karton mit alten Sachen und fand schließlich, wonach er gesucht hatte: eine Schachtel mit Buntstiften. Die Stifte waren alt und abgenutzt. Sein Vater hatte sie Hanif geschenkt, als dieser noch ein Kind gewesen war. Der Emir hatte wegen dringender Geschäfte in der Stadt bleiben müssen und den Sommer nicht mit seiner Familie hier in ihrem Ferienhaus verbringen können. Hanif hatte seinem Vater jeden Tag ein Bild gemalt und es ihm geschickt.
Nach dem Essen spielten Lucy und Ameerah noch eine Weile, und Ameerah malte mit dem Papier und den Stiften, die ein Diener gebracht hatte, eine Reihe von Bildern. Fathia sah den beiden zufrieden zu.
Aber als die Sonne immer heißer vom Himmel brannte, rief Fathia das Mädchen zu sich und erklärte Lucy: „Es ist Zeit für die Kleine, sich hinzulegen. Und Sie sollten sich auch ausruhen, assayyidah .“
Lucy war in der Tat ziemlich erschöpft von der Hitze und leistete keinen Widerstand, als
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