Julia Extra Band 0198
schmerzhaftere Erfahrungen es noch geben konnte!
Von seinen letzten Worten war sie innerlich sehr berührt, aber sie zwang sich dennoch dazu, ihm mit verächtlicher Gleichgültigkeit zu entgegnen: “Sehr clever von dir, mich zappeln zu lassen. Dein Problem ist, dass du das Leben mit der Kunst verwechselst, Josh. Die Liebhaber deiner Kunst mögen dich vergöttern, aber im wirklichen Leben bist du auch nur ein Mensch. Es gibt Tausende, ja Millionen deinesgleichen in der weiten Welt.” Sie konnte spüren, wie ihr Herz wie wild gegen den Brustkasten pochte.
“Ich bin aber dein Auserwählter”, hielt er forsch dagegen.
Wie arrogant! Was aber, wenn er trotzdem recht hatte? Sie lachte laut und spöttisch, doch dies war mehr das Resultat ihres Stolzes … und eine Selbstschutzmaßnahme.
“Wie bitte? Selbst wenn ich dich nicht als kaltblütige falsche Schlange entlarvt hätte, wäre die Situation alles andere als ideal. Ein Mann mit Anhang kann wohl kaum die erste Wahl einer Frau sein”, bemerkte sie hochnäsig. “Du selbst hattest dahingehend ja bereits Bedenken geäußert …” Sie musste jetzt an den kleinen Liam denken und sein süßes Kinderlächeln, und da empfand sie ihre verletzenden Worte selbst wie einen Nadelstich. Doch ihr Stolz wehrte diesen Schmerz sogleich wieder ab.
Josh wirkte auf einmal völlig niedergeschlagen. Flora wollte ihm wirklich einen tiefen Schmerz zufügen. Und das war ihr augenscheinlich gelungen. Sollte sie da nicht triumphieren? Doch eine solche Reaktion blieb merkwürdigerweise jetzt gänzlich aus; stattdessen setzte bei ihr ein Gefühl der Einsamkeit, der Traurigkeit und Trostlosigkeit ein und wurde rasch immer stärker.
Josh schüttelte langsam, aber beharrlich den Kopf, eine deutliche Zurückweisung ihrer letzten Bemerkung.
“Überdies möchte ich gern einen Mann, mit dem ich eigene Kinder haben kann, und du kannst beziehungsweise willst das ja nicht, Josh, stimmt’s?”
Er zuckte sichtlich zurück angesichts des vorwurfsvollen Untertons in ihrer Frage. “Das siehst du ganz richtig”, sagte er leise. Seine Gesichtszüge waren jetzt wie versteinert.
“Flora!”
, rief er, als sie sich abrupt von ihm abwandte und davonging.
Sie wollte sich nicht mehr nach ihm umdrehen, aber etwas in seiner Stimme übermannte ihren Willen und ließ ihre Glieder wie ferngesteuert reagieren; wie automatisch drehte sie sich doch noch einmal um.
“Ich nehme dir das nicht ab.”
Sie zog die Schultern hoch. “Was davon nimmst du mir nicht ab? Nein, sag es mir lieber nicht. Ich bin wirklich nicht mehr so sehr interessiert an dem, was du sagst und denkst.”
“Uff! Mission erfolgreich beendet!” Sam Taverner stützte sich mit gespielter Dramatik auf Floras Schreibtisch ab.
“Was hast du ihm denn überhaupt gesagt, wo ich mich aufhalte?”, fragte Flora ihren Kollegen in der Anwaltskanzlei.
“Ich sagte, Hongkong – das ist weit genug weg – und dass du auch erst in ein paar Wochen zurückkämst. Ich blieb so vage wie möglich mit den Angaben …”
“Und hat er dir die Geschichte mit Hongkong denn abgenommen?”
“Na ja, zuerst vielleicht nicht so ganz, aber wozu wäre ich Anwalt, wenn ich nicht überzeugend reden könnte …?”
“Du hast ihn also abwimmeln können? Tausend Dank, Sam”, sagte sie, als sie sein Augenzwinkern sah.
“Wenn du mich fragst, Flora, dann solltest du trotzdem juristisch gegen diesen Typen vorgehen.” Sam Taverner wurde mit einem Mal ganz ernst. “Ich meine damit, der Junge könnte gefährlich werden …”
“Nein, das glaube ich nicht.”
Ihr Sozius zog die scharf geschwungenen Brauen hoch, als er den Ton absoluter Überzeugung aus ihrem Satz heraushörte. “Ich sehe nicht, woher du diese Gewissheit nimmst.”
“Ich weiß es ganz einfach”, entgegnete sie forsch. “Josh ist harmlos.” Das war nun aber eine ganz neuartige Einstellung zu ihm – würde sie sich doch in einem Löwenkäfig sicherer fühlen als bei Josh Prentice. “Er verfolgt mich auch gar nicht wie ein Psychopath, er ist nur …”
“Wiederholt unaufgefordert vor deiner Haustür und in unserer Kanzlei aufgekreuzt.” Sam schnaubte missbilligend. “Ich hatte dich bisher eigentlich für eine ziemlich gute Menschenkennerin gehalten, aber nun!
Harmlos
ist nicht gerade die Umschreibung, die mir bei deinem Freund zuerst einfällt.”
“Er ist überhaupt nicht mein Freund.”
“Aber wenn du ihn harmlos findest, warum hast du dich dann genötigt gesehen, aus deiner Wohnung
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