Julia Extra Band 0198
willst du das wissen?”
“Entschuldige. Ich hätte gar nicht fragen sollen.” Kelly war enttäuscht, verletzt, und reagierte trotzig. Sie erhob sich abrupt vom Bett. “Vergiss es einfach.”
Ja, bei dieser Frage war Julia sofort in Abwehrhaltung verfallen. Alles in ihr sträubte sich dagegen. Ihre Tochter war viel zu jung, um eine solche Frage zu stellen. Sollte sie doch ruhig in ihr Zimmer gehen und sich dort vergraben!
Aber, meldete sich eine kleine Stimme in ihrem Kopf, hat dein Vater nicht genauso reagiert? Hat er nicht jedes Gespräch über dieses Thema im Keim erstickt? In der irrigen Hoffnung, die Neugier würde sich von selbst legen? Und was hat es gebracht?
Innerlich stöhnte sie auf. Ihr Vater hatte mit seiner Verweigerung das genaue Gegenteil bei ihr erreicht. Ihre Faszination und Neugier waren nur noch größer geworden.
“Kelly, warte! Komm her, Liebling. Lass uns darüber reden.”
Kelly war schon an der Tür und drehte sich zögernd um. Misstrauisch sah sie ihre Mutter an.
“Ich meine es ernst, Kelly. Ich werde deine Fragen beantworten, so gut ich kann.”
Kelly war noch immer nicht überzeugt, aber sie kam zurück und setzte sich zögernd auf die Bettkante.
Als Julia das versteckte, hoffnungsvolle Funkeln in Kellys Augen sah, wurde ihr plötzlich etwas bewusst: Wenn Kelly wissen wollte, wie es war, geküsst zu werden, so bedeutete das doch, dass sie es noch nie getan hatte!
Sie nahm sich vor, Kellys Fragen so ehrlich und sachlich wie möglich zu beantworten. “Ja, das Küssen …” begann sie lang gezogen. “Wie fühlt es sich an?” Unwillkürlich ging ihre Hand zu ihren Lippen, als sie an Ryans Kuss denken musste. “Nun, es ist ein schönes Gefühl, irgendwie wohlig warm. Wenn zwei Menschen sich küssen, dann wollen sie einander damit zeigen, dass sie sich mögen, dass sie Zuneigung füreinander empfinden.” Sie wählte bewusst einfache Worte. Ihre Tochter brauchte noch nicht zu wissen, dass ein Kuss heiß und überwältigend wie ein Vulkanausbruch sein konnte. Dass ein Kuss Gefühle auslösen, Vorgänge in Bewegung bringen konnte, die einen die Kontrolle verlieren lassen konnten, die gefährlich und alles verzehrend werden konnten.
“Ich weiß, dass … dass das”, Kelly stolperte über das Wort, “Küssen ein Ausdruck von Zuneigung ist. Aber wie fühlt es sich an?”
Julia wusste, dies war ein wichtiger Augenblick zwischen Mutter und Tochter. Kelly hatte sich ihrer Mutter geöffnet, hatte ihre Scheu abgelegt und ihr innerstes Ich bloßgelegt, sich verletzlich gemacht. Schließlich war Julia noch nicht so alt, als dass sie sich nicht mehr daran erinnern könnte, wie es war, als Teenager von dem ersten Kuss zu träumen.
Sie holte tief Luft. “Also, es fühlt sich toll an. Wenn du jemanden küsst, dann fühlst du dich, als seist du jemand ganz Besonderes. Du fühlst dich warm am ganz Körper und ganz eng verbunden mit dem, den du küsst. Es ist wirklich sehr schön.”
Kelly seufzte. “Ich würde gern jemand Besonderes sein.”
Julia unterdrückte das Lächeln, um ihrer Tochter willen. “Aber du bist doch jemand ganz Besonderes. Du brauchst nicht erst von einem Jungen geküsst zu werden, um …”
“Mom,” Kelly verdrehte vorwurfsvoll die Augen, “du weißt doch, wie ich es meine.”
“Ich weiß genau, wie du es meinst. Aber ich möchte, dass du erst genau überlegst, bevor du dich auf etwas einlässt. Du solltest dir immer klar darüber sein, was du tust. Und lass dich nie aus den falschen Gründen zu etwas verleiten. Du brauchst die Anerkennung dieses Jungen nicht, um …”
“Danke, Mom.” Kelly stand entschlossen auf. “Danke, dass du mit mir geredet hast.”
Erst bei Kellys ironischem Ton wurde Julia klar, was sie soeben getan hatte: Sie hatte ihrer Tochter eine Gardinenpredigt gehalten, anstatt offen mit ihr zu reden. Oh, warum nur hatte sie sich dazu hinreißen lassen? “Kelly, warte …” rief sie ihr hinterher.
“Sorry, aber ich muss Sheila noch anrufen. Hab ich ganz vergessen.” Es war eine Ausrede, das wusste Julia. “Ach, und übrigens …” Jetzt wurde Kellys Ton rebellisch. “Dieser Junge, von dem du da sprichst, hat einen Namen – er heißt Tyler. Und er wird auch nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden, wie du vielleicht hoffst.”
Und damit war sie zum Schlafzimmer hinaus und ließ Julia mit einem schweren Seufzer und nagenden Selbstvorwürfen zurück.
Ryan legte kopfschüttelnd den Hörer zurück aufs Telefon. “Ich
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