Julia Extra Band 0258
genug?“
Wahrscheinlich wäre es besser, den Mund zu halten, doch er sagte sich, dass es zu den Dingen gehörte, über die er – natürlich nur aus beruflicher Sicht – Bescheid wissen sollte. In ihren Unterlagen stand nichts von Männerbekanntschaften, und seitdem er sie beschattete, hatte er sie nie in männlicher Begleitung gesehen.
„Ich glaube, diese Frage lasse ich lieber unbeantwortet. Denn was ich auch sage, steht mit Sicherheit in Ihrem nächsten Bericht.“
Musste sie ihn ständig daran erinnern, dass er ein Angestellterihres Vaters war?
Ja, denn er selbst war trotz aller Bemühungen dabei, es immer wieder zu vergessen.
Wann hatte das begonnen? War es in Waldemeer, als sie den Frosch für Amanda gewann? Oder am Abend zuvor in dem dunklen Park, als sie ihn zur Rede stellte?
Spielte es überhaupt eine Rolle? Nein, denn für ihn war sie nicht länger ein Fall, nicht einmal eine Prinzessin. Für ihn war sie nur noch Emilia.
Einmalig.
Rätselhaft.
Begehrenswert – viel zu begehrenswert.
Er wusste nicht, warum sie diese Macht über ihn ausübte. Sie kannten sich erst seit wenigen Tagen, dennoch beherrschte sie sein ganzes Denken. Und er konnte ihr nicht einmal sagen, was in ihm vorging. Wahrscheinlich würde es sie sowieso nicht interessieren.
So erwiderte er nur, um auf ihre Bemerkung einzugehen: „Der Fürst verlangt lediglich, dass ich Sie bewache.“
„Aber er will wissen, warum ich nicht nach Hause komme.“
„Und wie ich darüber denke, habe ich ihm bereits mitgeteilt.“
„Was haben Sie ihm gesagt?“
„Das steht alles in dem Hefter. Meiner Meinung nach wollen Sie in Erie bleiben, weil Sie hier das gefunden haben, worauf es Ihnen ankommt: ein Leben nach Ihren Vorstellungen, einen Freundeskreis – und auch sich selbst. Und dass Sie das glücklich macht. Mehr habe ich nicht erwähnt. Was Ihr Privatleben angeht, davon steht nichts in meinen Berichten, und dabei wird es auch bleiben.“
„Ich …“
„Wir sind da“, sagte er ruhig. Er parkte gegenüber von Monarch’s und wandte sich Emilia zu, dann streckte er die Hand aus und strich ihr leicht über den Arm. „Für mich sind Sie mehr als nur ein Auftrag, Prinzessin, ich …“
„Ich glaube, ich muss mich beeilen.“ Bevor er sie zurückhalten konnte, öffnete sie die Wagentür, stieg aus und lief über die Straße. Im nächsten Augenblick verschwand sie im Café.
Seufzend sah Jace ihr nach. Die Worte, die er beinahe ausgesprochen hätte, wollte sie ebenso wenig hören, wie er sie sagenwollte. Und doch war es kein leeres Gerede, sondern Gefühle und Empfindungen, gegen die er einfach nicht ankam, obwohl sie zu nichts führten.
Wissen und Fühlen – es waren zwei ganz verschiedene Dinge, wie er jetzt zu seinem Leidwesen begreifen musste.
Emilia sagte sich, dass sie dabei war, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.
Während sie versuchte, den allmorgendlichen Kundenandrang zu bewältigen, kehrten ihre Gedanken immer wieder zu Jace zurück. Seine Hand auf ihrem Arm, die Worte, die er nicht zu Ende sprechen konnte, weil sie so überstürzt davongelaufen war – was bedeuteten sie? Bedeuteten sie überhaupt etwas?
Was war schon geschehen? Eine leichte Berührung, ein unvollständiger Satz, dessen Sinn sie nur erraten konnte … Es lohnte nicht, deswegen zu grübeln.
Doch ihre Gedanken gehorchten ihr nicht. Sie fragte sich, wie es wäre, in Jaces Armen zu liegen und von ihm geküsst zu werden, richtig geküsst. Bei der Vorstellung lief ihr ein Schauer über den Rücken.
Sie warf einen Blick auf die Schlange vor der Theke, die immer länger wurde, und auf die besetzten Tische. Dies war nicht der richtige Moment, sich lächerlichen Fantasien hinzugeben.
Im Buchladen herrschte ebenfalls Hochbetrieb, sie konnte Cara nicht bitten, ihr zur Hand zu gehen. Und Shey war nicht da, sie kümmerte sich um Tanner.
Tanner! Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Wie sie ihre Freundin kannte, machte sie es ihm bestimmt nicht leicht.
Gestern Morgen hatte Emilia ein Dutzend roter Rosen mit einer Karte von ihm erhalten.
Ihre Freundin , so schrieb er , ist eine interessante Begleiterin. Trotzdem habe ich den eigentlichen Zweck meines Besuchs nicht vergessen. Sie kann mich nicht ewig von Ihnen fernhalten. T.
Wenn er nur einsehen würde, wie aussichtslos sein Vorhaben war! Warum ging er nicht? Und was bedeutete die Bemerkung über Shey? Was fand er so interessant? Ging es in Richtung ihrer eigenen Überlegungen im Hinblick auf einen
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