Julia Extra Band 0258
sofort.
Anna hastete durch den Korridor. Ihre Hände waren feucht, ihr Herz raste und jeder Muskel war angespannt.
Was soll ich nur tun?
Noch immer hatte sie nicht die leiseste Ahnung, wie sie das Armband zurückgeben sollte.
Wie hat Jenny es nur geschafft, es zu stehlen?
Plötzlich wusste sie es. Während alle vier Models um den Eichentisch standen, die Hände bis zu den Handgelenken in der Schüssel mit Edelsteinen verborgen, hatte Jenny leise gestöhnt. Besorgt hatte Anna die Freundin angesehen und sofort erkannt, dass ihr schwindelig sein musste.
Instinktiv hatte sie reagiert. Absichtlich ungeschickt stieß sie gegen den Rand der Schüssel, sodass sie umfiel und die Juwelen sich über den Tisch und den Boden ergossen.
In der Dunkelheit tasteten sie und Jenny – und ein halbes Dutzend anderer – unter dem Tisch nach den Schmuckstücken.
„Wirst du krank?“, flüsterte sie Jenny dabei zu. „Ich kann sagen, dass ich auf die Toilette muss, und du kommst mit mir …“
Doch ihre Freundin schüttelte nur heftig mit dem Kopf und setzte die Suche nach den Juwelen fort.
Jenny war als Letzte unter dem Tisch hervorgekommen, fiel Anna jetzt wieder ein. Sie legte einen Smaragdring, eine mit Rubinen besetzte Brosche und ein Saphirarmband zurück in die Schüssel. Doch als sie aufgestanden war, hatte Anna gesehen, wie sie kurz zusammengezuckt war.
Ich dachte, weil ihr schwindelig war, aber so war es nicht. Sie hat das Armband in ihrem Schuh versteckt!
So musste es gewesen sein. Und nach dem Shooting hatte sie es in der Hektik des Umkleidezimmers geschafft, das Geschmeide von ihrem Schuh in den Ärmel des weiten Pullovers zu schmuggeln.
Anna erreichte die Treppe, die nach unten in die Eingangshalle führte. Einen Moment blieb sie stehen. Unten suchten zwei Sicherheitskräfte auf jeder Seite des Eichentisches systematisch den Boden ab.
Von draußen drang das Motorgeräusch eines sich nähernden Fahrzeuges herein. Plötzlich verebbte das Geräusch. Sekunden später wurde die große Eingangstür des Schlosses aufgestoßen, und Leo Makarios betrat die Halle.
Seiner Kleidung nach kam er gerade vom Skifahren. Und ganz eindeutig wusste er, dass das Rubinarmband seiner kostbaren Sammlung fehlte.
Denn er ging direkt zu den Sicherheitskräften und schrie ihnen irgendetwas entgegen. Anna sah, wie die beiden ihre Köpfe schüttelten und anschließend ihre Suche wieder aufnahmen.
Ängstlich blickte sie zu Leo Makarios hinunter, wie er – die Hände in die Hüften gestemmt – die Sicherheitskräfte beobachtete. Seine Miene war vollkommen ausdruckslos, aber seine Augen – seine Augen jagten einen kalten Schauer durch ihre Eingeweide. Auf einmal erschien Justin auf der Bildfläche und lief zu seinem Chef. Beinahe hätte Anna Mitleid mit ihm empfunden.
Aber sie konnte jetzt nicht an ihn denken oder an die Standpauke, die er gleich von seinem Arbeitgeber zu hören bekommen würde. Sie musste an sich denken – und an Jenny.
Du kannst nicht einfach hier stehen bleiben – geh – beweg dich! Lauf!
Abrupt schnellte sie von der Balustrade zurück.
Das war ein Fehler.
Denn die hastige Bewegung zog Leo Makarios’ Aufmerksamkeit auf sich. Er hob den Kopf.
Und entdeckte sie sofort.
In diesem Moment wusste Anna, dass sie eher sterben würde, als zuzulassen, dass er das Armband bei ihr fand.
Wie erstarrt blieb sie stehen. Doch irgendwie fand sie die Kraft, sich zu bewegen. Langsam ging sie die Treppe hinunter – fast schlenderte sie.
Während sie ging, sah sie, wie sich Leos Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Etwas blitzte in ihnen auf, und für eine Sekunde zuckte sie zurück. Dann durchströmte sie eine Woge der Erleichterung.
Sie kannte diesen Blick. Sträubten sich sonst zu jeder anderen Zeit ihre Nackenhaare, war sie jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben dankbar, mit diesem Blick bedacht zu werden.
Lässig, weil sie wusste, dass sie unter gar keinen Umständen anders als absolut ignorant – absolut unschuldig – auftreten durfte, schlenderte sie weiter die Treppe nach unten.
Für einen kurzen, aber nahezu überwältigenden Augenblick verspürte sie das Bedürfnis, einfach zu ihm zu gehen, das Armband aus ihrer Tasche zu ziehen und es ihm mit einer spöttischen Bemerkung wie: „Suchen Sie vielleicht das?“ zu übergeben.
Aber das war unmöglich – völlig unmöglich. Sie hatte Jenny versprochen, ihr zu helfen. Und Jenny hatte viel größere Probleme,als dass sie noch zusätzlich mit einer Anklage wegen
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