Julia Extra Band 0258
dort, wo er sie geküsst und gestreichelt hatte – ein sinnlicher Angriff, der sie überwältigt, dem sie nicht widerstanden hatte.
Um die Erinnerung abzuwehren, schloss sie die Augen.
Selbstachtung? Wie ein Dolchstoß stieß das Wort in ihr Herz. Es verspottete und verhöhnte sie.
Bei vorsätzlichem gefühllosem Sex mit Leo Makarios würde sie nicht nur den Respekt vor sich selbst verlieren, sondern noch etwas viel, viel Schlimmeres …
Abrupt drehte sie sich um und eilte vor dem Einbruch der karibischen Dunkelheit den Strand entlang zurück zur Villa.
„Mehr Champagner?“
„Nein, danke.“
„Lachs?“
„Nein, danke.“
„Kaviar?“
„Nein, danke.“
„Wie Sie wollen.“ In Leos Tonfall lag eine amüsierte Note. Er lehnte sich in seinem Rattanstuhl zurück. Von der Terrasse aus hatte man einen herrlichen Blick auf den Strand und die Bucht. Eine sanfte kühle Brise wehte vom Meer zu ihnen herauf. Und das Mondlicht spiegelte sich glitzernd auf dem Wasser.
Was für ein wunderschönes Bild – und die Frau ihm gegenüber machte es wirklich perfekt. Allerdings saß sie gerade stocksteif da und starrte auf das Meer hinaus.
Sie trug eine jadegrüne weite Seidenhose und die dazu passende langärmelige Bluse mit hohem Kragen. Als sie die Veranda betreten hatte, ungeschminkt und die Haare zu einem hohen Zopf zusammengefasst, wusste er sofort, welche Signale sie auszusenden wünschte.
Sie unternahm nicht den kleinsten Versuch, um verführerisch zu wirken.
Doch ihre Absicht blieb erfolglos. Noch in Sack und Asche hätte Anna Delane verführerisch ausgesehen.
Bei diesem Gedanken lächelte Leo innerlich. Während er noch einen Schluck Champagner trank, betrachtete er sie. Plötzlich mischte sich Verwirrung in seine Amüsiertheit. Sie war wirklich ein merkwürdiger Mensch – saß hier steif wie ein Brett und doppelt so feindselig. Dabei hatte er sie auf frischer Tat ertappt. Aber war sie niedergeschlagen? Schuldbewusst? Zeigte sie auch nur eine Spur von Reue?
All diese Worte waren ihr offensichtlich unbekannt.
Schamlos. Das war die einzige Bezeichnung, die auf sie passte.
Mit einem weiteren Schluck Champagner verdrängte er die verwirrenden Gedanken. Nun, es gab einen Ausdruck, der Anna Delanes Haltung perfekt beschrieb: Sie lief mit offenen Augen in ihr Verderben.
Und in seinem Bett würde sich ihr Verderben in seine Lust verwandeln.
Prickelnde Vorfreude erfüllte ihn. Er würde Anna Delane genießen, jeden einzelnen Zentimeter – und sein größter Genuss würde sein, dass es ihr ebenfalls gefiel.
Er streckte die Hand aus und löffelte noch eine Portion Kaviar auf seinen Teller.
Wie betäubt führte Anna die Gabel mit dem gegrillten Fisch zum Mund. Glücklicherweise hatte Leo seine Konversationsversuche aufgegeben, wofür sie ihm dankbar war. Das erlaubte ihr, gleichermaßen ihren Kopf wie ihre Miene leer zu halten.
Weil sie keinen Appetit hatte, legte sie die Gabel beiseite. Stattdessen griff sie nach dem Champagnerglas und trank einen kleinen Schluck. Kurz hatte sie darüber nachgedacht, sich zu betrinken, sich dann aber doch dagegen entschieden. Alkohol machte einen leichtsinnig. Dumm und schwach.
Und Schwäche konnte sie sich nicht erlauben.
Das war viel zu gefährlich.
Sie hatte es gespürt, als sie die Veranda betreten und ihn wiedergesehen hatte.
Wie ein Stromschlag hatte sein Anblick auf ihren Körper gewirkt, und die Intensität erschreckte sie dabei am meisten.
Nur mit größter Mühe zwang sie sich weiterzugehen. Sie konnte nicht weglaufen. Wohin auch?
Also hatte sie sich innerlich gewappnet, hatte alle Emotionenaus ihrem Gesicht verbannt und alle Gedanken verdrängt. Stumm setzte sie sich hin und starrte aufs Meer hinaus.
Ohne Leo Makarios anzusehen. Sie wollte nicht sehen, wie er sich lässig in seinem Stuhl zurücklehnte, wie das am Kragen offene Hemd den Blick auf seinen Hals freigab, die aufgekrempelten Ärmel seine starken Handgelenke und Arme entblößten, wie der Stoff sich über seiner breiten Brust spannte.
Und erst recht nicht wollte sie sein Gesicht sehen, den großen sinnlichen Mund, die von schweren Lidern überschatteten Augen.
Sie nahm all ihre Willenskraft zusammen und saß vollkommen unbeweglich und gleichgültig da, während sich in ihrem Bauch ein harter Knoten bildete.
Nach ihrem Empfinden dauerte das Essen ewig. Sie verzichtete auf den Nachtisch, aß nur eine Scheibe Mango und trank dazu Mineralwasser. Leo hingegen verzehrte gemächlich seine
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