Julia Extra Band 0258
das Lächeln, das seine Lippen umspielte. Ein wissendes, zufriedenes Lächeln.
Er flüsterte ihr etwas zu. So leise, dass Anna glaubte, sie habe es sich nur eingebildet.
Natürlich hatte sie es sich nur eingebildet. Aber für einen Moment dachte sie, ein „Nachher …“ gehört zu haben.
Sekunden später veränderte sich seine Miene wieder.
„Ah, Minister …“, rief er und schlenderte wie zuvor von Gruppe zu Gruppe. Und immer noch behielt Leo Makarios Anna an seiner Seite.
Mit unendlicher Erleichterung zog Anna ihre Schuhe aus. Den Schuhen folgten die schwarzen Satinhandschuhe, die sie achtlos auf einen Stuhl warf. Danach löste sie den Verschluss des schmerzhaft eng sitzenden Kleides. Die Diamanten befanden sich längst wieder in der Obhut des Sicherheitsdienstes.
Wie eine Ewigkeit hatte sich der Abend in die Länge gezogen.
Von Leo Makarios mitgeschleppt zu werden war dabei immer unerträglicher geworden. Irgendwann waren ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt gewesen.
Die Zeit, die sie mit ihm verbracht hatte, hätte reichen müssen, um sich gegen ihn zu wappnen. Hätte reichen müssen, um das verstörende Gefühl auszulöschen, das sie bei ihrer ersten Begegnung empfunden hatte. Spätestens jetzt sollte sie in der Lage sein, ihn als das zu sehen, was er war: ein gut aussehender reicher Mann. Nicht mehr.
Wütend starrte sie ihr Spiegelbild an.
Ihre Wangen waren gerötet; ihre Augen ein wenig geweiteter als sonst. Aber das lag nur an dem langen Tag und dem noch längeren Abend. Sie war müde, das war alles.
Ansonsten zeigte ihr der Spiegel ein vertrautes Gesicht. Schwarze Haare, helle Haut und grüne Augen. Vielleicht das Erbe ihres Vaters – wer auch immer er war. Eine zufällige Mischung von Genen, die ein Gesicht erschaffen hatte, das als schön eingestuft wurde.
Aber ihre Schönheit war nur eine Ware. Eine Ware, die sie verkaufte, jeden Tag und an jeden, der bereit war, den angemessenenPreis zu zahlen.
Und das ist alles, was ich verkaufe.
Zu viele Männer glaubten etwas anderes. Glaubten, sie würden auch das Recht erwerben, ihren Körper mit ihren Blicken auszuziehen, glaubten, sie dürften sich fragen, wie sie im Bett war, und ihr anbieten, es herauszufinden …
Abrupt wandte sie sich vom Spiegel ab und widmete sich wieder den Häkchen am Verschluss ihres Kleides.
Zumindest war sie die Diamanten los. Das ganze glitzernde Ensemble. Hatte Leo Makarios wirklich nicht erkannt, wie übertrieben die Steine wirkten, wenn man alle Stücke gleichzeitig trug? Dass die Summe weniger war als die einzelnen Teile?
Missbilligend schüttelte sie den Kopf. Wen kümmerte es, was Leo Makarios dachte? Über die elenden Levantsky-Diamanten oder über sie.
Oder was sie von ihm hielt.
Außerdem ist das eine rein rhetorische Frage. Nach diesem Auftrag werde ich ihn nie wieder sehen. Dann bin ich in Sicherheit …
3. KAPITEL
Leo folgte den beiden Angestellten, die große Tabletts trugen, durch den mit dicken Teppichen ausgelegten Flur. Kurz überlegte er, ob die Models wohl in drei nebeneinander liegenden Zimmern untergebracht worden waren. Die Rothaarige schlief natürlich in Markos Suite weiter unten im Schloss. Ob die anderen beiden auch ein anderes Zimmer für die Nacht gefunden hatten? Wahrscheinlich bewundert die Brünette Antal Lukacs aus nächster Nähe, dachte er zynisch. Wohingegen die Blonde viel zu angespannt gewesen war, um die Bewunderung, die ihr den Abend über entgegengebracht wurde, zu bemerken.
Sein Interesse jedoch galt nur einer einzigen Frau. Und die hatte höchst empfänglich auf ihn reagiert. Vielleicht mochte sie ein Problem mit ihrer Einstellung haben, aber das war unwichtig. Bald würde sie wie ein Kätzchen schnurren.
Als die beiden Bediensteten vor einer Tür stehen blieben, bedeuteteer ihnen mit einem Nicken zu klopfen.
Im Zimmer hielt Anna inne. Was um alles in der Welt war das? Wieder ein Klopfen. Hastig schloss sie die Häkchen ihres Kleides wieder und eilte zur Tür. Dort sah sie sich zwei Hausangestellten gegenüber, die große, mit Leinentüchern bedeckte Tabletts in Händen hielten.
„Ich habe gar nichts bestellt …“
„Aber ich“, unterbrach sie eine tiefe männliche Stimme.
Leo Makarios.
Anna traute ihren Augen kaum, als er – immer noch in seinem Anzug – in ihr Zimmer schlenderte. Um sein Kinn zeichnete sich ein leichter Bartschatten ab, der sehr sexy aussah.
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch in ihrem Innern herrschte ein heilloses Chaos
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