JULIA EXTRA BAND 0262
und überlegte, ob er sich noch einmal gründlich rasieren sollte. Unentschlossen ging er zu den hohen Glastüren hinüber, die auf einen halbrunden Balkon führten. Draußen lehnte er sich an die äußere Balustrade, stützte sich mit den Ellenbogen ab und spürte, wie ihn eine kühle Brise streifte.
Er blickte auf das Meer hinaus und dachte darüber nach, dass von hier aus das nächste Festland erst wieder Afrika war. Vor ihm lag praktisch grenzenlose Freiheit, und während sich die unerträgliche Mittagshitze langsam legte, blieb nur noch das überwältigende, traumhafte Paradies um ihn herum.
Ricardo streckte sich und wollte gerade wieder hineingehen, um sich hinzulegen, als er plötzlich in der Ferne eine Bewegung bemerkte. Mit einer Hand schirmte er seine Augen vor der Sonne ab, die sich ganz allmählich am Horizont senkte. Nun sah er die Silhouette einer Frau, die auf einem kräftigen weißen Pferd saß und sich am Strand in leichtem Galopp dem Haus näherte. Es war ein herrliches Bild, wie ihre langen, dunklen Haare im Wind wehten. Sie und das Pferd bildeten eine perfekte Einheit.
Wie angewurzelt stand Ricardo dort und bewunderte die Szene, die sich vor ihm abspielte. Die Frau brachte das Pferd zum Stehen, sprang von seinem Rücken hinunter und schüttelte ihre Haare. Das Pferd blieb ruhig stehen, während sie ihr T-Shirt und ihre Jeans auszog. Darunter kam eine perfekte Figur in einem knappen weißen Bikini zum Vorschein, und Ricardo stockte der Atem.
Wie ein Topmodel auf einem Pariser Laufsteg schritt sie ins Meer hinein und tauchte in den Wellen unter. Als sie wieder an die Oberfläche kam, konnte Ricardo hören, wie sie vergnügt lachte und ihrem Pferd etwas zurief, was er nicht verstand.
Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als das Tier ebenfalls ins Wasser ging und die junge Frau übermütig mit ihm herumtollte. Das ganze Szenario war geradezu irreal – magisch. Die unberührte, einzigartige Landschaft und dieses Mädchen, das mit ihrem Pferd so vertraut war. Es war, als betrachte er einen schönen Film …
Unwillkürlich fragte er sich, wer sie wohl war. Über Gonzalos Familie wusste er herzlich wenig, nur dass Gonzalo Witwer war. Und Ricardos Vater hatte niemals erwähnt, ob sein Freund Kinder hat.
Er streckte sich und beobachtete, wie die junge Frau das Pferd wieder aus dem Wasser führte, hin zu der Stelle, an der sie ihre Sachen zurückgelassen hatte. Selbst auf die Entfernung konnte er erkennen, dass ihr Körper makellos war, und eine unerwartet heftige Welle des Verlangens erfasste ihn.
Dann warf die Fremde ihre Kleider auf den Pferderücken und schwang sich in den Sattel. Mit angehaltenem Atem sah er ihr nach, wie sie in den purpurroten Sonnenuntergang hineingaloppierte.
„Natürlich fragst du dich, wieso ich dich so dringend hierher gebeten habe“, begann Gonzalo, als die beiden Männer später zusammen auf der Veranda saßen. Bequeme, dunkle Rattansessel waren mit dicken, weißen Polstern versehen, und tropische Blüten zierten die niedrigen Kaffeetischchen.
Mittlerweile war es angenehm kühl. Vom Meer her wehte eine frische Brise zu ihnen hinüber, und am Himmel prangte ein heller, sichelförmiger Mond. Ricardo wusste, dass die Nacht hier wegen der unmittelbaren Nähe zum Äquator sehr schnell hereinbrach. Nun funkelten bereits unzählige Sterne am schwarzblauen Nachthimmel. Man konnte sogar das Kreuz des Südens erkennen.
„Ich kann meine Neugier wohl kaum leugnen“, gab Ricardo zu und nahm einen Schluck aus seinem Whiskeyglas. Über den Rand des Glases sah er seinen Gastgeber erwartungsvoll an.
„Dann will ich nicht lange um den heißen Brei herumreden“, seufzte Gonzalo, und sein Lächeln war traurig und weise zugleich. „Ich bin ein alter Mann, Ricardo, und unglücklicherweise steht es gesundheitlich nicht besonders gut um mich.“
„Es tut mir sehr leid, das zu hören, Gonzalo.“
„Mir tut es ebenfalls leid. Nicht meinetwegen, musst du wissen, sondern für diejenigen, die ich zurücklassen muss, wenn die Zeit dafür gekommen ist.“
„Ich wusste nicht, dass du wieder verheiratet bist.“
„Das bin ich auch nicht. Ich bin schon seit vielen Jahren Witwer, und aus meiner ersten Ehe habe ich auch keine Kinder. Doch vor langer Zeit hatte ich eine Affäre mit einer jungen Frau. Ein englischer Filmstar, deren Film ich damals finanzierte. Wir haben sogar heimlich geheiratet, da sie wegen ihrer Karriere keine Aufmerksamkeit auf unsere Beziehung lenken wollte.
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