JULIA EXTRA BAND 0262
Offenheit hob er seine Augenbrauen.
„Allerdings. Sie sind hierhergekommen, um mich in Augenschein zu nehmen, als wäre ich irgendeine Stute, die zum Verkauf steht. Nur weil mein Vater mich verheiraten will. Ich weiß nicht, wie er auf diese Schnapsidee kommt. Jedenfalls hätten Sie sich diese Reise sparen können. Es ist schon lächerlich, dass Sie überhaupt auf Wunsch eines Verrückten um die halbe Welt geflogen sind.“
„Was Sie nicht sagen.“ Sein Tonfall war höhnisch, und er lehnte sich erwartungsvoll zurück. Offenbar war es nötig, dass diese junge Dame eine Lektion erteilt bekam. Wäre er zu Hause in seinem Palast, würde sein Hofstaat in dieser Situation aufhorchen und die Warnzeichen erkennen. Der Fürst war zwar extrem charmant, doch wenn er herausgefordert wurde …
„Ja“, fuhr Gabriella unbeirrt fort. „Ich rate Ihnen, ihm sofort zu sagen, dass Sie diesem Plan nicht zustimmen werden. Das würde es für uns alle so viel einfacher machen.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Champagner, lehnte sich dann gegen ihr Kissen und wischte etwas imaginären Staub von ihrem Kleid.
„Dann wird es Sie freuen zu hören, dass ich dies bereits getan habe“, antwortete Ricardo in aller Ruhe.
„Haben Sie?“ Ihre hochmütige Fassade fiel herunter, und ein paar Sekunden lang starrte sie ihn überrascht an. Dann sammelte sie sich wieder, doch trotz ihrer stolzen Haltung war ihr merklich der Wind aus den Segeln genommen.
„Ja. Genau wie Sie finde ich den Gedanken, mit einer fremden Person verheiratet zu werden, inakzeptabel. Und ich stimme Ihnen zu, dass ihrem Vater in dieser Hinsicht keine falschen Hoffnungen gemacht werden sollten. Darüber hinaus bin ich erleichtert, dass wir einer Meinung sind“, schloss er mit einem warmen Lächeln auf den Lippen.
„Nun, ja, natürlich. Aber wussten Sie denn nicht, weswegen Sie hierher gebeten wurden?“
„Um ehrlich zu sein, nein. Mir wurde der eigentliche Grund meiner Reise erst vor wenigen Minuten eröffnet. Aber machen Sie sich keine Gedanken! Ich habe deutlich zum Ausdruck gebracht, wie meine Antwort lautet. Ich habe nicht die Absicht zu heiraten, schon gar nicht eine mir unbekannte Neunzehnjährige“, fügte er hinzu.
Gabriella kochte innerlich vor Wut. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen? Entschlossen schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln, das eine Reihe makelloser, weißer Zähne zum Vorschein brachte. „Wie wundervoll. Ich bin ja so froh, dass wir darüber gesprochen haben. Ein Glück, nicht?“
„Ja, nicht wahr? Also, Sie sehen, es besteht kein Grund zur Aufregung, und Sie können mir mehr über diesen Ort hier berichten. Wie Sie ja schon richtig festgestellt haben, bin ich unter falschen Voraussetzungen um die halbe Welt gereist. Da kann ich wenigstens einige Tage damit verbringen, die Umgebung zu erkunden. Ich bin noch nie zuvor in diesem Teil Brasiliens gewesen.“
„Selbstverständlich müssen Sie bleiben“, entgegnete Gabriella und brachte sich schnell wieder in die Pose der perfekten Gastgeberin.
Dieser Mann ist ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte, überlegte sie. Er ist nicht fett, nicht hässlich und auch kein Lüstling!
Eigentlich wusste sie dies schon aus den Zeitschriften und Magazinen, die sie sich seinetwegen angeschaut hat. Dennoch, neben seinem atemberaubenden Äußeren besaß er eine Ausstrahlung, die sie auf einzigartige Weise anziehend fand. Und er hatte die Nerven, ihr zu sagen, dass er nicht an ihr interessiert war!
Das war noch nie zuvor geschehen. Seit ihrer frühesten Kindheit war Gabriella mit dem Bewusstsein groß geworden, dass sie einzigartig schön war und einmal ein Vermögen erben würde – also, dass sie alles in allem ein sehr guter Fang war.
Sie empfand es als ziemlich beunruhigend, wie Ricardo sie zu sehen schien – eher wie ein niedliches, kleines Hündchen.
Tja, das wird nicht mehr lange so sein, nahm sie sich vor, und ihre Augen blitzten wieder. Dann beugte sie sich vor, nahm ihren Champagner vom Tisch und sorgte dafür, dass bei dieser Bewegung ihr Kleid noch etwas weiter hochrutschte.
Vielleicht will er mich nicht heiraten, dachte sie selbstzufrieden. Aber zumindest werde ich ihm zeigen, mit wem er es zu tun hat.
Gabriella Guimaraes war es gewohnt, mit den Fingern zu schnippen und so die jungen Männer ergeben vor sich auf die Knie gehen zu lassen. Und nach ihrem Empfinden sollte sich daran auch nichts ändern, Fürst oder nicht!
2. KAPITEL
Die Pferde stürmten Kopf an
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