JULIA EXTRA BAND 0269
an seinen Zorn, der sich allerdings nur selten auf sie richtete, gewöhnt war, wurde von seinem Charme völlig aus der Bahn geworfen. Sie hätte geglaubt, dass Letzterer ausschließlich für die Frauen reserviert war, mit denen er ausging. „Das glauben Sie vielleicht, Gabriel, aber niemand ist unersetzlich, und schon gar nicht eine Sekretärin.“ Sie nippte an ihrem Rotwein und schaute ihn über den Rand des Glases hinweg an.
„Unterschätzen Sie sich nicht.“
„Das tue ich nicht. Aber ich glaube nicht, dass Ihr Arbeitsleben zum Stillstand kommt, wenn ich nicht da bin.“
„Vielleicht kommt es nicht zum Stillstand“, gab er zu. „Aber es läuft wesentlich weniger reibungslos. Das habe ich in den vergangenen drei Monaten zur Genüge erlebt.“ Es amüsierte ihn, dass sie nie zuvor ihre Meinung zu seinen Frauen geäußert hatte. Außerdem fiel ihm auf, dass sie es mit wenigen Worten geschafft hatte, ihre Missbilligung darüber auszudrücken, wie er sein Privatleben führte. Sie hatte sich ziemlich weit vorgewagt. Gesunde Kritik in beruflichen Dingen unterstützte er, aber sein Privatleben war eigentlich tabu.
„Wenn ich diesmal eine Vertretung finden soll, die Ihren Ansprüchen genügt, dann müssen Sie mir ganz genau erklären, wonach Sie suchen“, sagte sie jetzt.
„Eine Vertretung?“
„Für die Tage, die ich am College bin.“
„Wie viele Tage werden das sein?“
„Das … werde ich Ihnen am Ende der Woche sagen können. Dann kann ich auch in absehbarer Zeit mit der Auswahl beginnen.“
„Natürlich müssen Sie sich weiterhin um die schwierigen Kunden selbst kümmern, und um alles, was vertraulicher Natur ist.“ Er winkte nach der Rechnung, während er schon wieder eine Reihe inkompetenter Frauen vor sich sah, die es nie schaffen würden, mit ihm mitzuhalten. Der Gedanke war entmutigend. „Die Schlüsselqualifikation liegt darin, sich nicht wie ein verängstigtes kleines Kaninchen zu verhalten, sobald ich spreche.“
„Das hatten wir doch schon“, seufzte Rose. Sie schaute auf ihre Uhr und stellte fest, dass es um einiges später war, als sie gedacht hatte. „Wir haben noch gar nicht über die anstehende Arbeit gesprochen.“
„Und jetzt müssen Sie gehen?“ Er runzelte die Stirn, während er die PIN seiner Kreditkarte eingab. „Ich bringe Sie nach Hause.“
„Das ist nicht nötig. Ich wohne gleich um die Ecke.“
„Keine Widerrede. Ich würde eine Frau nie abends allein nach Hause laufen lassen.“
„Ich tue das jeden Tag, Gabriel! Glauben Sie, dass ich mir jedes Mal ein Taxi von der Arbeit nehme? Der Bus hält genau am Ende der Straße, und der Weg zu meinem Apartmentist sehr sicher, auch im Dunkeln.“ Eigentlich wusste sie gar nicht, warum sie sich die Mühe machte, zu protestieren. Gabriel tat ja doch das, was er wollte. Im Moment hatte er sich in den Kopf gesetzt, den Gentleman zu spielen und sie zu Hause abzusetzen.
„Sie brauchen ein Auto“, verkündete er abrupt, während sie nach draußen traten.
Rose blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn mit offenem Mund an. „Ich brauche was?“
„Ein Auto. Einen Firmenwagen. Es war nachlässig von mir, das bis jetzt übersehen zu haben.“
„Sie müssen wirklich verzweifelt versuchen, mich zu halten“, bemerkte sie trocken, „wenn Sie mir jetzt sogar schon ein Auto anbieten …“
„Es ist nicht unüblich, dass eine persönliche Assistentin einen Firmenwagen fährt.“ Er hielt ihr die Tür auf, damit sie einsteigen konnte. „Wo wohnen Sie?“
Rose gab dem Chauffeur die Wegbeschreibung. Dieser Tag hatte einen ziemlich ungewöhnlichen Verlauf genommen, und sie musste sich daran erinnern, dass ihr einiges davon nicht behagte. Zum ersten Mal war es Gabriel gelungen, ihren sorgfältig errichteten Schutzschild zu durchbrechen. Nein, sie hatte ihm keine Geheimnisse anvertraut, aber er hatte gesehen, wie ihre professionelle Maske ins Rutschen geriet, und das war nicht gut. Es war auch das erste Mal, dass er mit ihr flirtete. Oder zumindest hatte er in dieser dunklen, samtigen Stimme gesprochen, die sie sonst nur am Telefon hörte, wenn er mit seinen Freundinnen redete. Und zu guter Letzt war es das erste Mal gewesen, dass sie zusammen aßen, ohne einen dringenden beruflichen Grund, der das erforderlich machte. All das war nicht gerade dazu angetan, ihre bereits aufgewühlten Nerven zu beruhigen. Merkwürdigerweise schien sich eine unsichtbare Tür zwischen ihnen geöffnet zu haben. Rose kam sich irgendwie nackt
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