JULIA EXTRA BAND 0269
warum sah er sie jetzt wieder so an? Er verachtete sie doch, wie er ihr deutlich zu verstehen gegeben hatte.
Trotz ihrer Verwirrung konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Kurz entschlossen küsste Jack sie auf die Wange, um ihren Begleiter zu provozieren. Der Duft seines Aftershaves erregte all ihre Sinne, und sie spürte einen wohligen Schauer.
„War ich das wirklich?“, erwiderte sie nervös. Es war ihr peinlich, an ihre Ungeschicklichkeit erinnert zu werden. Außerdem konnte sie kaum glauben, dass Jack sie geküsst hatte. Siebzehn Jahre, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen, hatte sie seine Berührungen und Zärtlichkeiten vermisst. Und nachdem sie jetzt seine Lippen auf ihrer Haut gespürt hatte, sehntesie sich verzweifelt nach mehr. Sie empfand tiefe Freude, obwohl sie wusste, dass ihr Verlangen unerfüllt bleiben würde.
„Okay, ich lasse euch allein“, erklärte er und blickte Caroline noch einmal so herausfordernd und bedeutungsvoll an, dass es ihr den Atem raubte. Er schien mit seinem Blick anzudeuten, dass er sich etwas Schöneres vorstellen konnte, als den Abend allein in seinem Hotelzimmer zu verbringen.
Als er weg war, überlegte Caroline, ob er die Bemerkung, sie würden sich bestimmt wieder über den Weg laufen, ernst gemeint hatte. Oder hatte er nur Nicholas ärgern wollen? Jack fand ihn offenbar sehr unsympathisch, das hatte sie gespürt. Lag es daran, dass Nicholas ein Freund ihres Vaters gewesen war? Jack musste davon ausgehen, dass die beiden Männer damals über ihn geredet hatten, und das störte ihn natürlich. Nicholas hatte jedenfalls keinen Hehl aus seiner Abneigung, seinen Vorurteilen und seiner Verachtung gegenüber Jack gemacht.
„Du solltest dich von dem Mann fernhalten, Caroline. Das ist für dich das Beste“, stellte Nicholas missmutig fest. „Ich kann mich auf meine Menschenkenntnis verlassen und täusche mich selten. Ich traue ihm nicht, er würde dir nur Ärger bringen.“
Am liebsten hätte sie ihm heftig widersprochen, denn ihre Sehnsucht nach Jack war wieder genauso stark wie damals. Sie schwieg jedoch, weil Nicholas wahrscheinlich recht hatte. Vielleicht verfolgte Jack seine eigenen Pläne. Möglicherweise wollte er sich für das rächen, was sie ihm angetan hatte.
Da ihr der Appetit vergangen war, stocherte sie lustlos im Essen, bis es endlich Zeit war zu gehen.
Am nächsten Tag, einem Freitag, verließ Caroline nach dem Unterricht eilig die Schule, um Sadie Martin einzuholen. Das Mädchen war sehr zerstreut und unaufmerksam gewesen, hatte die ganze Zeit seltsam verträumt dagesessen. Das hatte Caroline beunruhigt, und sie wollte wissen, was los war.
Zwar hatte Caroline genug mit ihren eigenen Gedanken zu tun, doch sie verbat sich das Grübeln über Jack und lächelte Sadie strahlend an, als sie schließlich auf einer Höhe mit ihr war. „Hallo! Du hast es heute so eilig. Hast du etwasBestimmtes vor?“
Sadie errötete und senkte schuldbewusst den Kopf.
„Ist alles in Ordnung, Sadie?“, fragte Caroline.
Sadie wartete, bis ihre Klassenkameradinnen verschwunden waren. Dann blieb sie stehen. „Ja, es ist alles in Ordnung, wirklich“, antwortete sie.
Dass sie ihre Aussage bekräftigte, war für Caroline sehr aufschlussreich, und sie kniff besorgt die Augen zusammen. „Möchtest du reden? Wir können in den Park gehen, ich habe Zeit.“
„Ja, gern. Vielen Dank.“ Überrascht und dankbar zugleich blickte Sadie sie an und bestätigte Caroline damit indirekt, dass sie das Richtige tat.
Sie setzten sich auf eine Bank im Schatten einer Eiche, die langsam ihr goldenes Herbstlaub verlor.
„Ich habe einen Jungen kennengelernt. Ich … mag ihn sehr“, begann Sadie schließlich.
Überrascht und zutiefst beunruhigt sah Caroline sie an. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet und war sekundenlang sprachlos. Dann räusperte sie sich und atmete tief ein. Sadie ist sechzehn, genauso alt wie ich war, als ich mich in Jack verliebt habe, überlegte sie. „Wann und wo habt ihr euch denn kennengelernt?“
Wieder errötete Sadie. „Ich kenne ihn schon einen Monat. Er heißt Ben und studiert Kunst hier am College. Die ältere Schwester meiner Freundin ist eine Kommilitonin von ihm. Sie hat uns Eintrittskarten zu einer Tanzveranstaltung der Studenten geschenkt. Und da sind Ben und ich uns begegnet.“
„Dann ist er einige Jahre älter als du“, stellte Caroline fest.
„Ja, aber nur drei. Das ist kein großer Altersunterschied, oder?“
„Nein.“ Caroline
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