JULIA EXTRA BAND 0269
fuhr sich mit den Fingern durch die blonde Mähne. „Das ist es nicht. Jetzt weiß ich wenigstens, warum du in der letzten Zeit so zerstreut warst. Hast du ihn schon deinen Eltern vorgestellt?“
„Ja. Ich würde mich niemals hinter ihrem Rücken mit ihm treffen. Außerdem bin ich sonst nur selten ausgegangen, doch seitdem ich ihn kenne, gehe ich sehr oft weg. Sie hätten Verdacht geschöpft, wenn ich es ihnen verschwiegen hätte. MeinVater mag ihn sehr, und meine Mutter gewöhnt sich langsam an den Gedanken, dass ich einen Freund habe, glaube ich.“ Sadie zuckte verlegen mit den Schultern. „Sie macht sich immer zu viele Sorgen. Wahrscheinlich befürchtet sie, ich könnte in Schwierigkeiten geraten.“
„In was für Schwierigkeiten?“ Noch ehe sie die Frage ausgesprochen hatte, wusste Caroline, dass Sadie eine ungewollte Schwangerschaft meinte. O nein, die Geschichte darf sich nicht wiederholen, dachte sie besorgt. Sadie hatte eine glückliche Zukunft verdient. Es sollte ihr erspart bleiben, dass die Romanze zerbrach oder der Mann, in den sie verliebt war, sie zurückwies, ehe sie überhaupt erwachsen geworden war. Aber das Mädchen hatte Eltern, die es liebten und die vermutlich zu ihm halten würden, falls etwas schiefging. Für mich war die Situation damals wesentlich schwieriger, gestand sich Caroline ein.
„Sie befürchtet, ich könne schwanger werden.“ Sadie verzog die Lippen. „Doch ich bin vernünftiger, als meine Eltern glauben, auch wenn ich noch sehr jung bin. Ben und ich sind gerade erst dabei, uns richtig kennenzulernen. Wir haben noch nicht zusammen geschlafen. Wenn es so weit ist, gehe ich zum Arzt und lasse mir ein Verhütungsmittel verschreiben. Ich will nichts riskieren und uns beiden nicht die Zukunft verbauen.“
„Das klingt wirklich sehr vernünftig, Sadie.“ Caroline schluckte und rang sich ein Lächeln ab. Sie wünschte, sie und Jack hätten damals auch so vernünftig gehandelt. Aber sie waren Sklaven ihrer Leidenschaft gewesen, sie hatten nicht genug voneinander bekommen und sich nicht beherrschen können. Ihr Magen verkrampfte sich bei den bittersüßen Erinnerungen. „Manchmal geraten die Dinge jedoch trotz aller guten Vorsätze außer Kontrolle. Du weißt, dass eure Soziologielehrerin Glynis Hopkins Teenager in Beziehungsfragen berät, oder? Rede doch einmal mit ihr. Sie ist sehr nett, und alles, was du mit ihr besprichst, behandelt sie streng vertraulich, das kann ich dir versichern.“
Sadie strahlte übers ganze Gesicht. „Danke. Ich bin so froh, dass ich mit Ihnen reden kann. Sie verstehen mich, das wusste ich.“Caroline drückte dem Mädchen die Hand. „Als deine Lehrerin und deine Freundin wünsche ich mir sehr, dass du glücklich bist“, erwiderte sie sanft.
Später am Abend war Caroline nervös und angespannt und ihre Gedanken kreisten immer wieder um Jack. Normalerweise zog es sie ans Meer, wenn sie unruhig und aufgewühlt war. Aber heute Abend brachte sie nicht die Energie auf, an dem einsamen Strand entlangzuwandern. Stattdessen beschloss sie, mit dem Auto ziellos durch die Gegend zu fahren. Sie setzte sich in ihren Wagen und gönnte unterwegs den Wellen, die ans Ufer schlugen, keinen Blick.
Als Caroline nach Hause zurückkehrte, wurde es schon dunkel. Sie stellte den Wagen in der Einfahrt ab und stieg aus. Vielleicht friert es heute Nacht, es ist ziemlich kalt, überlegte sie, während sie ihre Handtasche vom Beifahrersitz nahm und das Auto abschloss. Dann ging sie müde zur Haustür.
„Bleibst du immer so lange in der Schule nach dem Unterricht?“
Beim Klang der ihr so vertrauten Stimme wirbelte sie schockiert herum. Jack stand hinter ihr und blickte sie mit diesen unglaublich blauen Augen durchdringend an.
„Jack, was machst du denn hier? Woher wusstest du, dass ich heute unterrichtet habe?“ Sie bekam weiche Knie. Wie gebannt betrachtete sie sein Gesicht und die kleine Narbe über der Lippe. Er hatte ihr erzählt, dass er sich mit sechzehn mit einem anderen Jungen geprügelt hatte, der ihn dabei mit einem Messer verletzte. Am Ende war Jack jedoch der Stärkere gewesen, und der andere Junge hatte ihn danach nie mehr belästigt. Das glaubte Caroline ihm unbesehen. Er war ein energiegeladener Mensch und zugleich gefährlich und unberechenbar. Zweifellos hatte der Junge ihn damals völlig unterschätzt.
„Ich habe deine Nachbarin gefragt. Sie war sehr hilfsbereit.“ Sein Lächeln wirkte nicht warm und herzlich, sondern eher überlegen und
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