JULIA EXTRA BAND 0273
ein paar Worten die Beherrschung verloren. Wie sollte er das wiedergutmachen?
In diesem Moment bewegte Kayla sich, drohte zu erwachen, und er begann, sie zu streicheln. Behutsam, beruhigend, zärtlich. „Vertrau mir, querida“ , murmelte er.
Sie seufzte, entspannte sich, und schlief schließlich wieder fest ein.
In den folgenden Tagen war Duardo ein aufmerksamer zärtlicher Ehemann. Kayla akzeptierte seine stummen Entschuldigungen. Und sie war dankbar für seine Zurückhaltung, wenn sie nachts das Bett miteinander teilten. Aber die Premiere, bei der Marlena die Hauptrolle spielte, ersparte er ihr nicht.
Als sie neben ihm das Theaterfoyer betrat, versuchte sie, ihre Nervosität in den Griff zu bekommen.
Was konnte diese Frau ihr von der Bühne aus anhaben? Und selbst, wenn sie sich nach der Vorstellung begegneten, würden andere Menschen dabei sein. Es konnte also gar nichts Schlimmes passieren.
Trotzdem plagten Kayla böse Vorahnungen.
Während sie sich unter die anderen Theaterbesucher mischten, empfand sie die förmlichen Begrüßungen und nichtssagenden Plaudereien als willkommene Ablenkung. Immer wieder geschah es im Gedränge, dass ihre Hüfte Duardos Schenkel berührte oder sein Arm versehentlich ihre Brust streifte. Dann lächelte er ihr jedes Mal zu, und sie gestattete es, sich einzugestehen, dass Duardo der einzige Mann war, der ihr etwas bedeutete. Zumindest körperlich konnte sie sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen. Aber was steckte hinter dieser physischen Anziehungskraft, die sie miteinander verband?
Schließlich strömten sie mit der Menge zu ihren Plätzen, im Zuschauerraum machte sich knisternde Erwartung breit, und endlich hob sich der Vorhang.
Kayla wurde bald von der Einzigartigkeit der Shakespeareschen Sprache ergriffen, zumal die kostümierten Schauspieler ihnen Kraft und lebendigen Ausdruck verliehen. Sie genoss die Aufführung und konnte gut verstehen, dass es für einen Shakespeare-Kenner und Theaterliebhaber ein zusätzliches Vergnügen bedeutete, wenn die Darsteller hervorragender spielten als andere vor ihnen.
War das der Grund, weshalb Duardo so besonders fasziniert von der Aufführung war?
Sie wusste es nicht. Sie hatten sich noch nie über seine Theaterleidenschaft unterhalten.
Marlena spielte zu Recht die Hauptrolle. Sie füllte sie ganz und gar aus, wurde eins mit dem Charakter, den sie darstellte. Sie war eine großartige Schauspielerin. Selbst ihre ärgsten Neider hätten das zugeben müssen.
War es allein ihre Schauspielkunst, die Duardo so fesselte? Oder bewunderte er sie als Frau, weil sie auch, wenn sie nichtauf der Bühne stand, jede weibliche Rolle einnehmen konnte, nach der ein Mann sich gerade sehnte?
Marlena ging auf in ihrem Spiel, und dennoch kam es Kayla so vor, als spräche sie den Treueschwur, nicht nur wie das Stück ihn erforderte, sondern auch und vor allem für Duardo.
Der Gedanke, dass Marlena und Duardo etwas Intimes miteinander verband oder verbunden hatte, versetzte Kayla einen Stich. Sie vermochte sich kaum noch auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren, und war froh, als der Vorhang nach dem ersten Akt fiel.
„Marlena ist gut“, sagte Kayla leise.
Duardo hob spöttisch die Brauen. „Hat dich das überrascht?“
Sie schüttelte unwillig den Kopf. „Das war ein ernst gemeintes Kompliment.“
„Für ihr Talent?“
„Für ihr Bühnentalent, ja“, sagte sie.
Seine Augen leuchteten amüsiert auf. „Natürlich.“
Kayla fühlte sich ertappt.
Wusste er, wie sehr sie mit ihren Gefühlen haderte? Wie häufig sie die Vergangenheit mit der Gegenwart verglich? Wie rasch Liebe und Hass, Hingabe und Zweifel in ihr wechselten?
Sie brauchte Abstand zu ihm, aber der wurde mit jeder Nacht und jedem Tag geringer. Körperliche Liebe entschädigte sie nicht für das, was sie vermisste. Sie durfte es sich nicht leisten, ihn zu lieben.
Als der Vorhang nach dem letzten Akt fiel, war der Applaus überwältigend. Immer wieder mussten die Schauspieler auf die Bühne kommen und sich verneigen. Dann strömte alles zum Ausgang.
„Marlena hat einige Freunde hinter die Bühne gebeten“, sagte Duardo.
Kayla konnte nicht ablehnen, wollte der Gegnerin auch nicht den Triumph gönnen, sie vertrieben zu haben. Sie setzte ein Lächeln auf, als Schutz und als Waffe.
An Duardos Seite war es leicht, an den Sicherheitsleuten vorbeizukommen und das Allerheiligste zu betreten, wo bereits andere Gäste warteten.
Max hielt sich im Hintergrund. Wieder fielen
Weitere Kostenlose Bücher