JULIA EXTRA BAND 0273
nachdem er sie eben erst gefunden hatte. Und er kannte nur einen Weg, dieser lähmenden Verlustangst Herr zu werden, die seit seiner Kindheit in ihm lauerte und ihn in bestimmten Situationen überfiel: Zurückschlagen.
„Danke, Santino.“
„Danke wofür?“, fragte er schroff.
„Für dein Angebot, einen Anwalt kommen zu lassen.“
Aber … Süffisant verzog er die Lippen. Natürlich hatte sie Vorbehalte, das war unüberhörbar. Wahrscheinlich befürchtete sie, dass ihr Anwalt sich von dem Reichtum und gesellschaftlichen Status blenden ließ.
„Aber ich will nicht, dass ein Anwalt hierherkommt und das alles sieht“, setzte sie erwartungsgemäß hinzu. Santino lächelte grimmig.
„Sonst denken sie womöglich, das ist hier eine Goldgrube“, fuhr sie ruhig fort. „Ich denke, wir wissen beide, worum es geht: Eben nicht möglichst viel Geld aus dir herauszuholen, sondern einzig darum, dass Francesca glücklich ist.“
Die Worte erstaunten ihn. Nicht zum ersten Mal verschlug sie ihm die Sprache, wie er sich ehrlich eingestand. Dass jemand seine Angebote ablehnte, erlebte er höchst selten. Er war überhaupt nicht an Widerspruch gewöhnt. Kates Sturheit erinnerte Santino manchmal fast an seine eigene. Doch deshalb musste er ihr noch lange nicht vertrauen. In vollem Bewusstsein wegstoßen allerdings auch nicht. Sonst würde sie bestimmt versuchen, Francesca mitzunehmen. Das wollte Santino nicht riskieren. Francesca gewaltsam von ihrer Mutter zu trennen kam genauso wenig infrage.
„Du musst dich mit dem Anwalt nicht hier treffen. Ich könnte dir ein Büro zur Verfügung stellen. Das wäre ein neutraler Ort.“
„In England?“, fragte sie, während sie eine fein gezeichnete Augenbraue hob.
„Musst du es uns allen wirklich so schwer machen?“
„Wenn du damit meinst, ob ich mich wehren muss, lautet meine Antwort: Ja, Santino. Ich muss“, erklärte sie entschieden.
Auf keinen Fall gab sie sich eine Blöße. Kate wusste, dass ihre und Francescas Zukunft wesentlich von der Art der Einigung abhing.
„Eine Woche, Santino.“ Sie sprach ruhig und entschieden, aber in versöhnlichem Ton. Eine Konfrontation nützte nichts. Immerhin waren sie jetzt an einem Punkt, wo sie wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen konnten. Diesen Zustand wollte Kate so lange wie möglich beibehalten. „Eine Woche, dann müssen Francesca und ich zurück.“
„Nach England?“
Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Irgendetwas war passiert. Kate spürte Angst in sich aufsteigen. „Ja, sicher.“
„Nicht mit Francesca“, erklärte er eisig. „Nicht bevor meine Rechte als Vater gerichtlich festgeschrieben sind. Vorher lasse ich sie nicht weg.“
„Deine Rechte als Vater?“ Kate konnte vor Panik kaum atmen, aber das änderte nichts. „Und was ist mit den Rechten deiner Tochter?“
„Ja, was ist damit, Kate? Das müsstest du dich selbst fragen. Francesca dürfte mittlerweile eine Ahnung davon haben, welche Chancen ich ihr eröffne. Oder was meinst du?“
„Glaubst du, du könntest Francesca kaufen?“
„Das verbitte ich mir.“
Zugegeben, es war ein Schlag unter die Gürtellinie. Aus reiner Verzweiflung griff Kate zu dem Mittel. Sie kannte in Rom keine Menschenseele, und ein Sorgerechtsprozess konnte sich hinziehen. Das aber war das Letzte, was sie für Francesca wollte.
„Könnte nicht dein Anwalt eine Vereinbarung aufsetzen, in der ich dir ein Umgangsrecht zusichere, bis ein Gerichtsurteil vorliegt? Würde dich das zufriedenstellen?“ Es war ein Friedensangebot. In Santinos Gesicht las sie jedoch, dass er im Moment keinem Vorschlag von ihrer Seite zustimmen würde. „Egal, was du machst, ich nehme Francesca auf jeden Fall mit“, beharrte Kate. „In diesem Punkt bin ich zu keinerlei Kompromissen bereit.“
Als Santino immer noch nichts sagte, drängte sie weiter: „Du findest doch auch, dass es nur zu Francescas Besten ist, diese Angelegenheit einvernehmlich zu regeln? Und ich gebe dir ja eine schriftliche Erklärung.“
Es dauerte scheinbar eine halbe Ewigkeit. Aber am Ende ließ er sich dazu herab zu sagen: „Also gut.“
„Danke.“ Kate fiel ein Stein vom Herzen.
Er wandte sich ab und ging. Konnte sie wirklich aufatmen?Santino war überrascht und verärgert, als es an der Tür seines Arbeitszimmers klopfte. Ohne auf ein Zeichen zu warten, trat Kate ein. Um seine Strategie zu überdenken, hatte er sich zurückgezogen. Jetzt setzte er sich auf den Sessel in einer dunklen Ecke, damit Kate
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