JULIA EXTRA BAND 0273
brachte Kindern aus zerrütteten Familien ehrenamtlich das Malen bei und hatte dabei gelernt zuzuhören und eine feine Antenne entwickelt.
Mit derselben ruhigen Stimme, mit der sie ihre Kinder ermutigte, sich ihr zu öffnen, sprach sie nun Daniel an. „Möchten Sie darüber reden?“
Er neigte sich vor. Viel zu weit für ihre Begriffe.
„Die Arbeit lohnt sich, ist aber auch frustrierend.“
Also hatte er sich beschlossen, das Thema Vater außen vor zu lassen und sich lieber auf das sichere Terrain Afrika zu begeben. Stephanie wusste nicht, warum sie sich überhaupt für seine Gefühle interessierte. Je weniger sie über ihn wusste, desto besser.
„Haben Sie Afrika deshalb verlassen?“
„Ich habe es nicht verlassen“, widersprach er heftig. „Sondern nur erkannt, dass ich hier viel mehr für Äthiopien tun kann, als wenn ich vor Ort bin.“
Verständnislos runzelte sie die Stirn. „Wie das?“
„Um Wassersysteme zu bauen, braucht man Geld und Fachwissen. Über Letzteres verfüge ich. Als Bauingenieur habe ich mein halbes Leben mit dem Konstruieren von Bewässerungsanlagenverbracht. Was mir fehlt ist das unerlässliche Kleingeld.“
„Also sind Sie nach England zurückgekommen, um Gelder zu erwirtschaften?“
„So ungefähr. Ich werde eine eigene Firma gründen und mich mit Bewässerungsexperten in ganz England in Verbindung setzen. Meine Erfahrung ist gefragt, besonders in Gebieten, in denen Überschwemmungen an der Tagesordnung sind. Mit den richtigen Kontakten kann ich ein Vermögen verdienen.“
Vielleicht war er wirklich so ein guter Mensch, wie John gesagt hatte. „Und dann wollen Sie das Geld für Afrika verwenden?“
„Ich wüsste nicht, wo ich es besser einsetzen sollte. Deshalb bin ich auch so dankbar, dass Sie die Wohnung mit mir teilen. Ich lasse mir nicht gern etwas schenken, schon gar nicht von meinem Vater. Aber je weniger Geld ich selbst ausgebe, desto mehr bleibt für mein Projekt.“
Trotz Stephanies Entschlossenheit, ihn nicht an sich heranzulassen, stieg er in ihrem Ansehen. Offenbar besaß er ein gutes Herz. Und das gab ihr die Hoffnung, dass sie vielleicht doch gut miteinander auskämen. Mit etwas Glück würde er sowieso nicht viel Zeit in der Wohnung verbringen, weil er viel Geld für sein Vorhaben verdienen wollte.
Das erinnerte sie wiederum an die Frage, die bisher ungeklärt geblieben war: Wie lange beabsichtigte er zu bleiben?
2. KAPITEL
Unauffällig musterte Daniel die atemberaubende Rothaarige, während er seinen Tee trank. Seit sie ihm die Tür geöffnet hatte, hielt ihn Stephanies Anblick gefangen. Sie war wunderschön, hatte lange Beine, einen schlanken wohlproportionierten Körper und faszinierendes rötliches Haar, das in wilden Locken auf ihren Rücken fiel. Und obwohl sie ein hochgeschlossenes schlichtes Kleid trug, hatte sie sein Begehren geweckt. Begehren. In den vergangenen Jahren war er ein Meister im Beherrschen seiner männlichen Bedürfnisse gewesen. Aber wegen seiner Schwäche für Rotschöpfe reagierte sein Körper unwillkürlich. Doch erwar beruflich hier. Und so würde es auch bleiben.
Nachdem er sich ein paar Minuten mit Stephanie unterhalten hatte, wusste er, was der alte Mann ihm verschwiegen hatte. Es freute sie überhaupt nicht, ihn als Mitbewohner aufzunehmen. Doch nun war er einmal hier, und er gedachte zu bleiben. Da schadete es auch nichts, dass seine Mitbewohnerin umwerfend aussah und auch noch verführerisch duftete. Ansehen war schließlich nicht verboten. Mehr allerdings untersagte er sich.
„Ich muss zurück ins Restaurant.“ Stephanie setzte ihre leere Teetasse ab. „Wenn Sie mehr Tee möchten, bedienen Sie sich bitte einfach.“
„Nein, danke. Auch mich ruft die Arbeit. Ich will gleich die ersten Anrufe machen.“
„Sie sollten sich ein Handy zulegen.“
„Später.“
„Ich habe einen Computer. Den können Sie gern benutzen.“ Stephanie wies in Richtung Wohnzimmer. „Manchmal arbeite ich abends noch an Bestellungen.“
„Darauf komme ich sicher gern zurück.“ Daniel stand auf. „Ich helfe Ihnen.“
Sofort überschattete Furcht ihr schönes Gesicht. „Ich komme schon zurecht.“
„In Ordnung.“ Er trat einen Schritt zurück und fragte sich, ob seine Größe sie einschüchterte. Da wäre sie nicht die Erste, obwohl sie selbst recht groß war und ihm bis über die Schulter reichte.
Mit einer Anmut, die seinen Blick automatisch auf ihre Hände zog, wusch sie das Geschirr ab, trocknete es und räumte es in
Weitere Kostenlose Bücher