JULIA EXTRA BAND 0273
den Schrank. Die Ordnung und Reinlichkeit in ihrer Wohnung amüsierte ihn. Seine Vorstellung von Ordnung beschränkte sich darauf, nachts das Moskitonetz gewissenhaft über dem Bett zu befestigen.
Stephanie räumte auf, bis die Küche wieder aussah, als hätte hier noch nie jemand Tee getrunken. Im Grunde sah die ganze Wohnung so aus. Wie die Fotografie eines perfekten Apartments, das zum Verkauf stand. Und absolut nicht wie eine Wohnung, in der jemand lebte.
Sie faltete das blütenweiße Geschirrtuch rechtwinklig, legte es über einen Handtuchhalter und strich es glatt. „BrauchenSie noch etwas, bevor ich gehe?“
„Ich bin kein Gast, Stephanie. Sie müssen sich nicht um mich kümmern, ich komme schon zurecht.“ Schließlich war er sein Leben lang allein zurechtgekommen.
„Ja, natürlich.“ Sie nestelte nervös am Saum des Handtuchs. „Dann gehe ich jetzt. Der große Ansturm wird bald losgehen.“
„Vielleicht gehe ich auch noch weg. Haben Sie einen Zweitschlüssel für die Wohnung?“
„Es tut mir leid. Den brauchte ich bis jetzt nie.“
„Geben Sie mir einfach Ihren, dann lasse ich einen zweiten machen.“
„Moment.“ Sie lief in den Flur und brachte ihm den Schlüssel. Und obwohl sie nicht verunsichert wirkte, spürte Daniel, dass ihr der Gedanke, ihm den Schlüssel zu ihrer Wohnung auszuhändigen, nicht behagte. „Dieser Schlüssel passt auch in die Balkontür. Es gibt zwei Eingänge zur Wohnung. Durch das Treppenhaus an der Frontseite und über die Aufzüge an der Rückseite des Gebäudes.“
„Gut zu wissen, danke.“
Während Daniel den Schlüssel einsteckte, sah er verstohlen auf Stephanies zitternde Hände. Seit seiner Ankunft hatte sie sich offensichtlich etwas beruhigt, doch ihre Anspannung rührte nicht allein daher, dass sie die Wohnung mit ihm teilen sollte. Und auch wenn sie die richtigen Worte fand und sich scheinbar sicher bewegte, täuschte sie ihn nicht. Ihre Hände verrieten sie.
Innerlich zuckte er die Schultern. Stephanies Probleme gingen ihn nichts an. Es interessierte ihn nicht, welches Geheimnis sich hinter diesem hübschen Gesicht verbarg.
„Kommen Sie doch später ins Restaurant hinunter, um die anderen kennenzulernen“, schlug sie vor. „Einige Ihrer Verwandten sind sicherlich da.“
Bei dieser Bemerkung zuckte Daniel innerlich zusammen. Es fiel ihm immer noch schwer, die Valentines als seine Familie zu betrachten.
„Arbeitet Dominic heute?“ Die Tatsache, dass Dominic im Restaurant angestellt war, machte den Reiz der Wohnung noch größer. Daniel war lange genug von seinem Bruder getrennt gewesen.
Stephanie sah auf ihre Armbanduhr. „Ja, er müsste jetzt imBüro sein. Und ich wette, er würde sich über einen Besuch freuen.“
Genau wie Daniel, auch wenn er am liebsten sofort die ersten Anrufe erledigt hätte. Die Wunschliste an Geschäftspartnern in seiner Tasche war lang, und er hoffte, mit seiner Firma bald schwarze Zahlen zu schreiben.
Schon halb aus der Tür, sah Stephanie sich noch einmal um. „Ach, Daniel, bevor ich es vergesse …“
„Ja?“
Mit ihren kühlen grünen Augen sah sie ihn an. „Wie lange planen Sie hierzubleiben?“
„Aber Stephanie …“ Scherzhaft legte er sich eine Hand aufs Herz. „Sie wollen mich doch nicht jetzt schon wieder loswerden?“
„Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur …“
Er wusste genau, was sie dachte. „Bis mein Geschäft läuft, wird es etwas dauern. Ein Jahr vielleicht. Möglicherweise länger.“ Er beobachtete sie und registrierte jede ihrer Reaktionen. „Das ist doch kein Problem, oder?“
„Natürlich nicht.“
Aber Daniel glaubte ihr kein Wort.
Ein paar Stunden später kam Daniel gut gelaunt aus der U-Bahn. Er hatte einen erfolgreichen Nachmittag hinter sich und kehrte nun nach Knightsbridge zurück. Nachdem er einen Schlüssel hatte nachmachen lassen, traf er sich mit einem ehemaligen Studienkollegen und sprach mit ihm über sein Projekt. Alles in allem konnte er mit diesem Anfang zufrieden sein.
Inzwischen regnete es stärker. Ganz bewusst hatte Daniel keinen Schirm mitgenommen. Nach all den Jahren in der afrikanischen Sonne genoss er den Duft des Regens und das kühle Nass auf seinem Gesicht. Dennoch widerstand er dem kindlichen Impuls, das Gesicht in den Regen zu halten und die Tropfen mit der Zunge einzufangen.
An der Hintertür des Bella Lucia schüttelte er sich, um nicht den ganzen Flur nass zu machen. Ein Kätzchen, nicht größer als seine Hand, miaute
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