JULIA EXTRA Band 0281
man sich Zeit seines Lebens einer Illusion hingegeben hat.“
„Was für einer Illusion?“
Er blickte sie scharf an. „Weißt du eigentlich, dass ich in dem Glauben aufgewachsen bin, mein Vater sei ein spanischer Aristokrat, der sich zwar weigerte, mich öffentlich als seinen Sohn anzuerkennen, aber bereit war, für meinen Unterhalt und die Juwelen meiner Mutter zu zahlen? Meine Mutter sagte mir, ihr Schweigen hinsichtlich seiner Identität garantiere ihr ein Leben in Luxus. Und so war es.“
Giovannis Gesicht war wie versteinert. „Sie ließ mich auch in dem Glauben, dass er schließlich gestorben wäre. Und ich hatte keinen Grund, ihr zu misstrauen.“
„Mit anderen Worten, sie hat gelogen?“
Seine Mundwinkel zuckten spöttisch. „Warum? Gäbe es dir ein Gefühl von Seelenverwandtschaft mit ihr?“, fragte er kalt.
„Ich bin nicht daran interessiert, an alten Wunden zu rühren, Giovanni“, entgegnete Alexa ruhig. „Was willst du mir eigentlich sagen?“
„Dass mein Vater weder Spanier ist … noch tot. Allerdings ist er schon sehr alt und gebrechlich, und …“
„Und?“, hakte sie gespannt nach.
„Ich bin der Sohn eines Scheichs“, antwortete er langsam, und selbst in seinen Ohren klang es immer noch bizarr.
Alexa blickte ihn mit großen Augen an. „Wie bitte?“
„Mein Vater ist ein Scheich.“ Inmitten eines Nebels der Ungläubigkeit und Unwirklichkeit kristallisierte sich plötzlich ein Gefühl tiefster … Befriedigung heraus. Es war, als habe er ein Stück seiner selbst gefunden, das ihm immer gefehlt hatte. Entschlossen fügte er hinzu: „Genauer gesagt, er ist Scheich Zahir von Kharastan.“ Er sah Alexa fragend an. „Du hast vielleicht von diesem kleinen Wüstenstaat gehört?“
Angesichts dieser überraschenden, unerwarteten Enthüllung vergaß Alexa für einen Moment ihre persönlichen Probleme mit Giovanni, ihr eigenes Geheimnis und ihre Angst vor dem Mann, mit dem sie noch verheiratet war. Sie zweifelte nicht eine Sekunde an seinen Worten. Warum sollte Giovanni sie in einer solchen Sache belügen? Er war selbst vermögend und einflussreich genug und hatte es nicht nötig, eine königliche Abstammung zu erfinden. Allerdings würde es ihn ohne Zweifel für die Frauenwelt noch attraktiver machen, überlegte sie wehmütig.
„Natürlich habe ich davon gehört“, bestätigte sie. „Die Zeitungen sind ja seit Wochen voll davon. Wird dort nicht bald eine große königliche Hochzeit stattfinden?“ Sie erinnerte sich an die Fotos von einem gut aussehenden Bräutigam und einer wunderschönen Braut in den Gazetten, die sie allerdings nur beim Friseur las. Als alleinerziehende und berufstätige Mutter fand sie sonst kaum die Zeit dazu. „Aber heißt es nicht, dass der Sohn des Scheichs heiratet? Und ist er nicht halb Franzose?“
Giovanni lächelte grimmig, dankbar, dass sie ihm sozusagen das Stichwort lieferte. „Ja, genau. Der Name dieses Franzosen ist Xavier, und er ist, wie du ganz richtig gesagt hast, der Sohn des Scheichs. Mein Halbbruder.“
„Der Scheich … hat also nicht nur einen Sohn? Ich verstehe nicht ganz, Giovanni.“
War er nicht genauso verwirrt gewesen, als ihn der Berater des Scheichs, dieser Malik, mit diesen unglaublichen Fakten konfrontiert hatte? Schlagartig war er, der glaubte, keinerlei Familie mehr zu besitzen, zu einem Mann geworden, der nicht nur einen Vater, sondern auch einen Halbbruder hatte.
„Nun, wie es aussieht, hat der Scheich neben einer langen Ehe mit seiner einzigen legitimen Frau, die kinderlos blieb, zwei uneheliche Nachkommen in Europa gezeugt. Xavier und mich. Mit Rücksicht auf die Gefühle seiner Frau hat er zu deren Lebzeiten keinen von uns offiziell anerkannt. Nach ihrem Tod jedoch war es sein größter Wunsch, mit seinen Söhnen Frieden zu schließen und die beiden miteinander bekannt zu machen.“ Giovannis Miene war unergründlich. „Und genau so ist es geschehen.“
„Du … hast deinen Vater und deinen Halbbruder getroffen?“
Giovanni nickte. Seine dunklen Augen blickten Alexa eindringlich an. „ Sì“, bekräftigte er rau, als hätten diese überraschenden Enthüllungen unerwartete Gefühle in ihm geweckt, mit denen er nicht so leicht klarkam. Denn abgesehen von seiner gescheiterten Beziehung zu Alexa war er es gewohnt, seine Empfindungen stets fest unter Kontrolle zu haben. „Ja, ich habe sie kennengelernt. Ich bin nach Kharastan geflogen und in einem Palast empfangen worden, gegen dessen Blau der strahlendste
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