JULIA EXTRA Band 0286
abzusagen.
Die Kühnheit ihrer eigenen Gedanken verschlug ihr für einige Sekunden die Sprache. „Ich überlege es mir“, stieß sie schließlich hervor.
„Ich versichere dir, ich bin ein viel besserer Reiseleiter als die in den Bussen. Immerhin bin ich gebürtiger Katalane.“
„Und das qualifiziert dich?“
„Natürlich.“
„Vermutlich sollte ich dir die Chance geben, das zu beweisen“, entgegnete sie lachend. „Oder auf die Nase zu fallen.“
„Das Einzige, worauf ich zu fallen plane, bist du, mi cielo. “
„Was bedeutet das Wort?“
„Himmel – und die katalanische Variante für Schatz.“
„Ich dachte, alle spanischen Edelmänner kommen aus der Region Kastilien.“
„Ich entstamme keinem Adelsgeschlecht. Meine Familie ist zwar so alt wie Spanien, aber wir sind Katalanen.“
„Gehörst du zu denen, die auf die Unabhängigkeit Kataloniens hoffen?“
„Alle Katalanen träumen davon. Doch ich bin mit den momentanen Umständen zufrieden.“
„In Anbetracht der Umstände solltest du das auch.“
„Es ist ebenso schwer, reich wie arm zu sein.“
„Sag mir das noch einmal, wenn du Probleme hast, die Miete zu bezahlen oder dir dein Auto weggenommen wird, weil du mit den Ratenzahlungen nicht mehr nachkommst.“
Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu. „Du warst nie in einer solchen Situation, oder?“
„Nein. Trotzdem denke ich an die Menschen, die es sind.“
„Ah, eine gute Seele.“
„Besser als ein Herz aus Stein.“
„In dem Punkt stimme ich dir zu. Menendez Industries spendet einen höheren Prozentsatz für wohltätige Zwecke als jedes andere Familienunternehmen in meinem Land.“
„Das ehrt dich und deine Familie.“ Dieser Mann war fast zu perfekt. Von Sekunde zu Sekunde verliebte Amber sich ein bisschen mehr in ihn.
Auf einmal verspürte sie das Bedürfnis, ihre Mom anzurufen, um mit ihr ein echtes Mutter-Tochter-Gespräch zu führen und sie um Rat zu bitten.
„Es ist wichtig, verantwortungsbewusst zu handeln und Mitgefühl mit denen zu haben, denen es nicht so gut geht“, fuhr Miguel fort, der von ihrem kurzen Panikanfall nichts mitbekam.
„Diese Haltung hätte ich nicht von dir erwartet.“
„Dann weißt du nun etwas, das nicht in den Wirtschaftszeitungen steht.“
„Warum nicht?“
„Solche Taten publik zu machen, schmälert den Gedanken, der dahintersteht. Meine Familie handhabt viele Dinge mit großer Diskretion, pequeña. “
„Was das Wort bedeutet, weiß ich. Aber ich bin nicht klein.“
„Du bist größer als der Durchschnitt. Allerdings auch kein Riese. Und du bist so schlank, dass ein starker Wind dich umwehen könnte.“
Amber biss sich auf die Lippe. Fand er sie unattraktiv? Dann fiel ihr seine Reaktion auf ihre Küsse wieder ein, und sie schob den Gedanken beiseite. „Ein Model muss dünn sein. Die Kamera kann sehr grausam sein.“
„Das habe ich auch gehört. Aber dein Körper ist nicht einfach nur dünn, sondern auch wohlproportioniert. So perfekt, wie es ohne plastische Chirurgie möglich ist.“
„Ist das ein Kompliment?“ Noch nie hatte sie sich in der Gegenwart eines Mannes so unsicher gefühlt, vor allem nicht, wenn es um ihr Aussehen ging. Schließlich arbeitete sie hart dafür, gut auszusehen. Daher betrachtete sie das Ergebnis als selbstverständlich.
Aber mit Miguel war alles anders.
„Definitiv.“
„Dann vielen Dank.“
In ihrem Leben hatte Amber schon viele Komplimente bekommen, aber keines hatte ihr auch nur annähernd so viel bedeutet. Miguels Worte streichelten ihre Seele. Sie fühlte sich wunderschön und nahm ihre Schönheit plötzlich nicht mehr nur als Werkzeug für ihre Karriere wahr, sondern empfand sich wirklich als attraktive Frau.
Ihr gefiel das Gefühl. Sehr sogar.
Miguels Haus stellte sich als Penthouse-Wohnung in einem exklusiven Stadtteil Barcelonas heraus. Damit hatte sich ein Wunsch von Amber erfüllt: Denn während der Fahrt durch die Stadt konnte sie einen Blick auf die wundervollen Häuser werfen.
Als sie sein Apartment erreichten, erklärte Miguel, dass seine Haushälterin noch vor dem Abendessen in ihre eigene Wohnung zurückkehren würde. „Sie hat für uns gekocht, bedienen müssen wir uns selbst.“
„Kein Problem“, erwiderte Amber und sah sich neugierig um.
Offensichtlich stammte das Konzept für die Einrichtung von einem Innenarchitekten, dennoch spiegelte Miguels Charakter sich in allem wider. Und sein Reichtum.
Er lächelte. „Das dachte ich mir.“
Das Essen, ja,
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