JULIA EXTRA Band 0287
unterzeichnet.“
„Sehr gut, Gino. Dein Papa wäre stolz auf dich. Da fällt mir noch ein – kommst du zum Dinner nächsten Sonntag?“
Seine Mutter veranstaltete an jedem letzten Sonntag im Monat ein großes Familiendinner. Gino war normalerweise auch dabei. Er spielte gern mit seinen Neffen und Nichten, aber er hasste die Vorstellung, mit Fragen zu Claudia bombardiert zu werden.
„Ich kann nicht, Mum. Tut mir leid. Ich muss noch mal nach Sydney fliegen und mich mit dem Architekten treffen. Er will mir einige vorläufige Pläne zeigen.“
Das stimmte nicht, doch seine Mutter konnte das schließlich nicht wissen. Irgendwohin würde er allerdings reisen müssen. Vielleicht in den Schnee? Er fuhr gerne Ski, und in den Urlaubsgebieten waren die Bedingungen noch relativ gut. Er könnte sich tagsüber völlig verausgaben. Er würde sofort einschlafen, sobald er seinen Kopf aufs Kissen bettete.
Seit seiner Rückkehr aus Sydney schlief er nämlich verdammt schlecht. Ständig quälte er sich mit Fragen nach dem „Was wäre, wenn …?“.
Was wäre, wenn er seinem Vater nicht dieses dumme Versprechen gegeben hätte?
Was wäre, wenn er zu Jordan zurückkehren könnte, ohne sich dabei völlig niederträchtig vorzukommen?
Was wäre, wenn er ihr die Wahrheit über sich gesagt hätte, bevor er sie an jenem Freitagabend auf sein Hotelzimmer brachte?
Die letzte Frage war schnell beantwortet: Er war viel zu erregt gewesen, um eine weitere Verzögerung oder sogar das Risiko in Kauf zu nehmen, dass Jordan ihn abwies.
Sein Verlangen nach ihr war über jedes gesunde Maß hinausgegangen.
Liebte er sie immer noch? Oder wollte er nur wieder mit ihr flüchten, wie all die Jahre zuvor?
Nein, er würde alles, einfach alles tun, um wieder so mit ihr zusammen sein zu können wie vor zehn Jahren.
„Du solltest mehr Zeit mit deiner Familie verbringen, Gino“, rügte ihn seine Mutter.
Er wollte sich auf keine weitere Diskussion mit seiner Mutter einlassen.
„Ich muss jetzt los, Mum. Ciao.“
Rasch unterbrach er die Verbindung und blickte gedankenverloren auf die Stadt, die sich unter ihm ausbreitete. Eigentlich stand er auf dem absoluten Höhepunkt. Sowohl finanziell als auch beruflich. Er besaß mehr Geld, als er jemals ausgeben konnte, ein schickes Penthouse und einen schnittigen Wagen. Ja, er war kurz davor, zum Milliardär zu werden.
Doch dieser Erfolg zählte nichts, solange er nicht glücklich war.
Jordans diverse Vorwürfe und Sticheleien verfolgten ihn immer noch.
Vielleicht, weil sie recht hatte. Wenn er ganz ehrlich war, dann hatte er gelogen und betrogen. Aber er war nicht der Feigling, für den sie ihn hielt.
Er wusste ganz genau, was er wollte.
Sie.
Doch warum sollte er sie weiter umwerben, wenn sie gar nichts von ihm wissen wollte?
Gino sah keine Möglichkeit, Jordan dazu zu bewegen, Zeit mit ihm zu verbringen – es sei denn, er entführte sie und hielt sie an einem einsamen Ort gefangen.
Die Idee konnte schnell zu einer männlichen Fantasie ausarten.
Mit einem Seufzer wandte er sich ab und ging vorsichtig zu dem Stahlaufzug hinüber, der ihn wieder nach unten transportieren würde. Die Bauarbeiter machten jetzt Feierabend, aber der Boss, der musste zurück ins Büro, um die organisatorischen Abläufe von Bortelli Constructions in Gang zu halten.
Eine halbe Stunde später saß Gino an seinem Schreibtisch – in der einen Hand einen starken Kaffee, in der anderen einen Stapel Post. Die Uhr an der Wand schlug gerade fünf, als er nach einem Umschlag griff, auf dem das Wort „Persönlich“ stand, weshalb seine Sekretärin ihn nicht geöffnet hatte.
Hoffentlich war es kein Hassbrief von Claudia!
Nachdem er den Umschlag rasch aufgerissen hatte, fiel sein Blick sofort auf eine goldumrandete Karte.
Es war eine Einladung von Stedley & Parkinson.
Mr. Frank Jones, der Seniorpartner der Filiale in Sydney, lud Mr. Gino Bortelli – und Begleitung – zu einem Dinner für neue Mandanten ein, und zwar am nächsten Samstag in ihren Konferenzraum. Beginn um halb acht, Abendgarderobe erwünscht. Seine Antwort wurde bis nächsten Freitag erwartet.
Gino starrte gute zwanzig Sekunden auf die Einladung und schien das Atmen vergessen zu haben. Nur mit Bedacht gelang es ihm, wieder ruhiger zu werden und gelassen durchzuatmen.
Das Schicksal schien ihm eine letzte Chance mit Jordan zu geben.
Denn sicherlich würde der Star der Zivilrechtsabteilung vor Kurzem ein oder zwei neue Mandanten gewonnen haben? Wenn ja, dann
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