JULIA EXTRA Band 0287
waren! Und jetzt …
„Gino hat mir von dem Versprechen erzählt, das er seinem Vater gegeben hat.“
„Wirklich?“
„Es war dumm von ihm.“
„Das weiß er jetzt auch. Aber er wird es trotzdem nicht brechen.“
Mrs. Bortelli schüttelte den Kopf. „Er ist ein guter Sohn. Aber man kann nicht von ihm verlangen, dass er keine richtige Ehe führt. Dennoch – wir müssen das Beste daraus machen. Er liebt Sie, und er weigerte sich, eine andere Frau zu heiraten.“
Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, und die beiden Frauen traten auf den Gang hinaus. Es roch nach Desinfektionsmitteln.
„Es macht Ihnen nichts aus, dass ich keine Italienerin bin?“, fragte Jordan.
„Warum sollte mir das etwas ausmachen?“
„Ginos Vater fand diesen Punkt offensichtlich sehr wichtig.“
„Giovanni war viel älter als ich und sehr konservativ. Unsere Ehe war arrangiert, keine Liebesheirat. Ich habe geschworen, dass meine Kinder einmal nur aus Liebe heiraten würden. Das ist viel wichtiger als ein Stück Papier.“
„Ich bin so froh, dass Sie so denken.“
Als seine Mutter lächelte, erkannte Jordan, woher Gino seinen Charme und sein gutes Aussehen hatte.
„Sie und Gino, Sie werden wunderschöne Kinder haben.“
„Wenn wir die Chance dazu bekommen“, versetzte Jordan ängstlich. „O Mrs. Bortelli“, weinte sie. „Ich liebe ihn so sehr.“
„Das weiß ich, mein Liebes.“
Gino wusste, dass er träumte. Es musste ein Traum sein, denn Jordan und er hatten gerade geheiratet – in einer alten Kirche, die er nicht kannte. Jordan sah wie ein Engel aus, ganz in Weiß gekleidet. Sie strahlte ihn an, während sie Arm in Arm den Kirchgang hinabschritten und in die Sonne hinaustraten.
Nicht in Melbourne, wie er erkannte, als er die Treppe hinunter auf die altehrwürdige Stadt zu seinen Füßen blickte.
Sie waren in Rom.
Das war es, dachte Gino in seinem Traum. Die Lösung! Warum hatte er nicht zuvor schon daran gedacht?
Er kämpfte gegen den Schlaf an, versuchte aufzuwachen. Doch aus irgendeinem Grund wollte es ihm nicht gelingen. Warum konnte er nicht aufwachen, dachte er frustriert. Was war los mit ihm?
Die Krankenschwester auf der Intensivstation beobachtete Gino nun aufmerksam.
„Sie sollten noch gar nicht aufwachen“, sagte sie, als seine Augenlider heftig flatterten.
Als er dann auch noch zu murmeln begann und versuchte, seinen Kopf zu heben, drückte sie ihn sanft in die Kissen zurück.
„Bleiben Sie still liegen“, wisperte sie. „Die Operation ist gut verlaufen, aber jetzt müssen Sie sich noch eine Weile erholen.“
Er riss die Augen auf und jagte ihr damit einen gehörigen Schrecken ein.
„Jordan“, stammelte er.
„Sie wollen, dass ich Jordan sage, dass es Ihnen gut geht?“
Er schüttelte heftig den Kopf.
„Sagen Sie ihr, sagen Sie ihr, es gibt einen Weg“, murmelte er, dann schlief er sofort wieder ein.
Gut so. Er hätte noch gar nicht zu Bewusstsein kommen sollen.
In diesem Moment betrat Dr. Shelton das Zimmer, und die Schwester war froh, dass sich ihr Patient nicht länger im Bett herumwälzte. Sie erzählte dem Arzt, was passiert war.
Dr. Shelton runzelte die Stirn.
„Erstaunlich“, bemerkte er. „Es sollte noch mindestens eine halbe Stunde dauern, bis er zu sich kommt. Jordan, sagten Sie?“
„Ja.“
„Mann oder Frau?“
„Das hat er nicht gesagt, aber ich tippe auf eine Frau.“
Der Arzt lächelte verschmitzt. „Das hätte ich auch getippt.“
Jordan saß im Aufenthaltsraum, umgeben von all den Frauen in Ginos Leben. In den vergangenen Stunden waren seine sechs Schwestern eine nach der anderen aufgetaucht. Keine von ihnen vermittelte ihr das Gefühl, eine Außenseiterin zu sein oder dass sie es ihr verübelten, keine Italienerin zu sein. Alle sechs hatten sie ihrer Mutter zugestimmt, dass Ginos Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte, eine Dummheit gewesen war.
Doch sie alle wussten auch, dass ihr Bruder dieses Versprechen niemals brechen würde.
In das besorgte Schweigen trat in diesem Moment ein Arzt, der noch ganz in grüne OP-Kleidung gehüllt war. Es handelte sich um einen großen, schlanken Mann mittleren Alters, mit leuchtend blauen, intelligent blickenden Augen.
Mrs. Bortelli sprang sofort auf und lief zu ihm herüber.
„Wie geht es meinem Sohn, Doktor?“, fragte sie.
Er ergriff ihre Hände, tätschelte sie und lächelte dabei.
„Es geht ihm gut“, sagte er, was einen kollektiven Seufzer der Erleichterung im Raum auslöste.
Jordan
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