JULIA EXTRA Band 0287
Unterton gefiel ihr nicht. „Glauben Sie nicht, dass sie genau ausgerechnet hat, was für sie dabei herausspringt? Selbst wenn ich das Kind nicht anerkannt hätte, wäre ich vielleicht bereit gewesen, eine beachtliche Summe zu zahlen, damit nicht die Presse von der Geschichte Wind bekommt. Wie Sie sicher festgestellt haben, liegt mir sehr viel an meinem guten Ruf, Miss Davies. Wo ist diese Leanne jetzt? Wartet sie hier irgendwo? Oder zu Hause in Wales?“
„Nein.“ Sie schluckte, konnte diesem kalten Blick nicht standhalten. „Sie ist tot.“
Schlagartig stürmten Bilder auf sie ein, Ereignisse der letzten beiden Wochen, nachdem Leanne bei ihr aufgetaucht war, ihr kurzer vergeblicher Kampf mit dem Tod, dann das Sorgerecht für Annabel, das Rhia natürlich angenommen hatte, ohne lange darüber nachzudenken. Wie sollte sie Lukas Petrakides begreiflich machen, was da passiert war? Er würde ihr nicht glauben, sondern alles für eine abgefeimte Geschichte halten, mit der er erpresst werden sollte.
Rhia lachte hysterisch auf, schlang die Arme um sich, weil ihr kalt war, weil sie Trost brauchte, sich schützen musste.
Lukas fluchte leise vor sich hin und war mit zwei Schritten bei ihr. „Setzen Sie sich einen Moment.“ Bevor sie protestieren konnte, drückte er sie aufs Bett. Die Wärme seiner Hände drang durch ihre dünne Bluse.
„Sie stehen unter Schock.“ Schon suchte er in der Minibar, holte eine kleine Flasche heraus.
„Unsinn“, widersprach sie, obwohl ihr flau wurde, Übelkeit ihr die Kehle hochstieg. „Ich bin … ich bin traurig.“ Das klang bedauernswert, und genauso fühlte sie sich, als er sie betrachtete.
Natürlich konnte er das nicht nachvollziehen. Annabel bedeutete ihm nichts, und wahrscheinlich fragte er sich, warum sie sich um das Baby sorgte. Rhia schloss die Augen.
Die Kleine war erst einen halben Monat bei ihr. Sie fütterte sie mit der Flasche, was längst nicht immer wie am Schnürchen klappte. Auch beim Windeln ging nicht alles glatt. Sie war Kinder nicht gewöhnt, geriet in Panik, wenn Annabel wie am Spieß schrie. Trotzdem liebte sie sie. Das heißt, sie würde sie lieben, wenn sie die Chance bekäme.
Andererseits war für sie vom ersten Moment an, nachdem Leanne ihr den Namen Lukas Petrakides genannt hatte, klar gewesen, dass sie sich von Annabel trennen würde, falls er darauf bestand.
Damit die Kleine glücklich und gut versorgt aufwuchs.
Lukas goss den Inhalt des Fläschchens in ein Glas und drückte es ihr in die Hand. „Trinken Sie das.“
Misstrauisch betrachtete sie die helle Flüssigkeit und tat schließlich, was er sagte.
Im nächsten Moment spuckte sie alles wieder aus, auf den Teppich – und seine Schuhe.
„Was ist das denn?“ Angewidert wischte sie sich mit dem Handrücken den Mund ab.
„Brandy. Sie haben wohl noch nie einen getrunken.“
„Nein.“ Vorwurfsvoll blickte sie zu ihm hoch. „Sie hätten mich wenigstens vorwarnen können.“
Lukas zog ein gebügeltes Herrentaschentuch aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihr. „Es sollte gegen den Schock helfen.“
„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht unter Schock stehe!“
„Nicht? Ich hatte den Eindruck, Sie würden gleich in Ohnmacht fallen.“
„Vielen Dank!“ Gerade noch rechtzeitig senkte sie die Stimme, um Annabel nicht zu wecken. „Die letzten vierzehn Tage waren ziemlich verrückt, da habe ich wohl das Recht, etwas blass auszusehen!“
Rhia wollte aufstehen, schwankte leicht, und er drückte sie wieder aufs Bett. „Bleiben Sie sitzen.“
Seine warmen Finger umfassten ihre Schultern, hielten sie, und plötzlich veränderte sich die Atmosphäre im Raum. Die eben noch fast mit Händen greifbare Feindseligkeit machte einer anderen Spannung Platz.
Verlangen.
Rhia schnappte nach Luft, als unerwartete Gefühle sie durchzuckten. Ihr Blick fiel auf seinen Mund. Lukas hatte sich vorgebeugt und lächelte wissend, sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem entfernt. Sie atmete seinen Duft ein, eine herbe Mischung aus Pinie und Seife, spürte seine Nähe, seinen starken Körper, als hielte er sie an sich gepresst.
In seinen Augen las sie Bedauern und Erstaunen gleichzeitig, und sie verlor sich fast in den dunkelgrauen Tiefen. Wie würde es sein, ihn zu küssen? Diese festen Lippen warm auf ihren zu spüren? Der Gedanke trieb ihr das Blut in die Wangen.
Sie war sicher, dass Lukas in ihr lesen konnte wie in einem offenen Buch, so intensiv war der Wunsch, in seinen Armen
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