Julia Extra Band 0294
setzte auf der schmalen Straße zurück. „Keine Angst, es ist nicht der alte Trick mit dem ausgegangenen Benzin, um mich an dich ranzumachen.“
Wie schade! „Das habe ich auch nicht gedacht.“
Nach etwa hundert Metern hielt er an. „Kurz vor uns ist ein Auto von hier gestartet, und im Vorbeifahren ist mir ein Pappkarton auf dem Seitenstreifen aufgefallen. Ich will nur mal nachsehen.“
„Wieso?“
„Ich habe so ein komisches Gefühl. Bleib du lieber sitzen.“ Er stieg aus und näherte sich vorsichtig dem Karton.
Eine Sekunde später folgte Gina ihm.
„Ich habe doch gesagt, dass du im Auto bleiben sollst.“
„Sei nicht albern! Was ist denn da drin?“
„Verdammt!“
Sie spähte über seine Schulter in die Schachtel und sah mehrere kleine Wesen zappeln. „Oh, Harry!“ Aufgeregt zupfte sie ihn am Ärmel. „Da hat jemand Tiere ausgesetzt – mitten in der Walachei! Wie konnte er so was tun!?“
„Anscheinend ganz einfach“, murrte er.
„Geht es ihnen gut?“
Beide hockten sich vor den Karton. Im Mondschein waren vier Welpen zu erkennen, die nach ihren Exkrementen rochen und kläglich jaulten. „Die armen kleinen Dinger!“ Gina war den Tränen nahe. „Was wollen wir tun?“
Harry stand auf. „Wenn ich dir eine Decke über die Knie lege, magst du dann den Karton auf den Schoß nehmen?“
„Natürlich.“ Es war ihr unbegreiflich, wie jemand so herzlos sein und diese winzigen Wesen aussetzen konnte. Als sie wieder im Auto saß und die Schachtel auf dem Schoß hielt, betrachtete sie die Hündchen näher. „Sie sind sehr klein. Meinst du, dass sie krank sind?“
„Nicht bei dem Lärm, den sie machen“, erwiderte er trocken.
„Wohin bringen wir sie denn?“
„Irgendwo hier in der Nähe muss ein Tierarzt sein, aber ich weiß nicht, wo genau. Meine Putzfrau, Mrs. Rothman, hat Hunde und kann uns zumindest die Adresse sagen. Hast du was dagegen, wenn wir umdrehen und bei ihr vorbeischauen? Allerdings wird es dadurch spät für dich. Wir sind schon fast bei dir zu Hause.“
Offensichtlich hatte sie eine Weile geschlafen, denn ihr war entgangen, dass sie so weit gefahren waren. „Es macht nichts, wenn es spät wird. Ich muss morgen früh ja nicht aufstehen. Also fahr bitte zu deiner Mrs. Rothman.“ Außerdem verlängerte es ein wenig die Galgenfrist bis zum endgültigen Abschied.
Die Welpen beruhigten sich bald in der Wärme des Autos. Doch das veranlasste Gina, immer wieder nach ihnen zu sehen, aus Angst, sie könnten gestorben sein. Sie atmete erleichtert auf, als sie ein kleines Dorf ganz in der Nähe von Harrys Cottage erreichten und vor einem hübschen Reihenhaus anhielten.
Mrs. Rothman war eine pummelige mütterliche Frau, die sie herzlich in die Wärme ihres kleinen Hauses einlud und ihren Mann Tee kochen ließ, während sie den Inhalt des Kartons begutachtete. „Jack-Russell-Mischlinge, wie es aussieht. Alles Weibchen. Wem immer die Hündin auch gehört, derjenige konnte wahrscheinlich nur die Rüden an den Mann bringen. Das passiert manchmal. Es war wohl ein sehr großer Wurf.“
Sie reinigte die Winzlinge und legte frisches Zeitungspapier in den Karton. Ihr Mann tischte Hundefutter auf, und die Welpen stürzten sich gierig darauf und machten kurzen Prozess damit. Danach setzte Mrs. Rothman sie zurück in den Karton, auf ein altes Handtuch. Offensichtlich erschöpft von dem unwillkommenen Abenteuer, schliefen allesamt prompt ein.
„Was meinen Sie, wie alt sie sind?“, erkundigte sich Gina, als sie zusammen mit Harry und dem älteren Ehepaar bei einer zweiten Tasse Tee vor dem prasselnden Kaminfeuer saß.
„Schwer zu sagen. Sie können schon ganz gut fressen. Also schätze ich sie auf sechs oder sieben Wochen. Sie hätten nicht lange überlebt da draußen an der Straße. Die Nächte sind immer noch bitterkalt.“ Mrs. Rothman wandte sich an Harry. „Ich kenne ein Tierheim hier in der Nähe, das sie bestimmt aufnimmt. Ich gebe Ihnen Adresse und Telefonnummer.“
Er nickte. „Danke.“
Einer der Hunde begann zu fiepen. Gina nahm den zappelnden Knirps auf die Arme und streichelte das seidige Fell, bis er wieder einschlief.
Bald darauf wurde ein weiteres Hündchen unruhig. Diesmal war es Harry, der es sich auf den Schoß bettete und beruhigend streichelte. Zu Gina sagte er leise: „Ich weiß genau, was du denkst: Welcher Schuft konnte sie wochenlang aufwachsen sehen und dann zum Sterben aussetzen?“
Sie nickte. Sein Einfühlungsvermögen trieb ihr ebenso Tränen
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