Julia Extra Band 0294
endlich ging. Warum also blieb er wie angewurzelt stehen? „Schlaf gut“, murmelte er sanft, und obwohl er es für einen Fehler hielt, beugte er sich zu ihr und berührte sanft ihre Lippen.
Es war nur ein flüchtiger Kuss, doch ihr Duft und die weichen, halb geöffneten Lippen lösten eine überwältigende Reaktion in Harry aus. Wollust, primitiv und heftig, schoss durch seinen Körper. Es kostete ihn all seine Willenskraft, sich abzuwenden und das Zimmer zu verlassen.
Ein Klicken verriet, dass Gina hastig die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
Als er die Treppe erreichte, blieb er einen Moment stehen und atmete tief durch.
Alles an diesem Abend war verrückt: die Gespräche, die Gefühle, die Situationen.
Morgen, bei kaltem nüchternem Tageslicht, sieht wieder al les anders aus .
Er hatte einen Entschluss gefasst: Etwas musste anders werden, und zwar dringend.
5. KAPITEL
Gina erwachte, als ihr bewusst wurde, dass das Geräusch, das sie vernahm, nicht Teil ihres Traums war. Einen Moment blieb sie still liegen, bis sie sich erinnerte, dass sie sich in Harrys Haus befand, in seinem Bett – nun, nicht in seinem Bett, aber in einem seiner Betten.
Sie setzte sich auf, knipste die Nachttischlampe an und griff zu ihrer Armbanduhr auf dem Schränkchen. Halb vier. Sie hatte gerade einmal eine halbe Stunde geschlafen. Kein Wunder also, dass sie sich total neben der Spur fühlte.
Das Geräusch, ein fernes Jaulen, war immer noch zu hören. Müde strich sie sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht und griff zu dem Frotteemantel, den sie an der Badezimmertür an einem Haken entdeckt hatte. Sie musste nachsehen, was im Heizungsraum vor sich ging. Denn Harry war vermutlich ein typischer Mann wie ihr Vater, den nichts Geringeres als ein Erdbeben aus der Ruhe bringen konnte, wenn er erst einmal eingeschlafen war.
Sie schlüpfte in den Bademantel und blieb auf der Bettkante sitzen, denn ihr Kopf tat weh und sie fühlte sich benommen. Das lag vermutlich daran, dass sie sich in den Schlaf geweint und dabei bemüht hatte, keine verräterischen Laute von sich zu geben. Sobald die Welpen versorgt waren, wollte sie sich auf die Suche nach einer Schmerztablette begeben.
Im Heizungsraum wurde Gina stürmisch empfangen. Vor lauter Eifer, zu ihr zu gelangen, purzelten die Hündchen tollpatschig übereinander. Belustigt wechselte sie das Zeitungspapier, auf dem brav alle Geschäfte verrichtet worden waren, und stellte ihnen Futter hin. Die Winzlinge verputzten es in Rekordzeit und schleckten die Schüssel mit ihren rosigen Zungen blitzblank.
„Na, ihr wart aber richtig hungrig“, murmelte sie. „Kein Wunder, dass ihr gejault habt.“
Der kleinste Welpe tapste zu ihr und knabberte an ihren Zehen, und auch die anderen buhlten um Aufmerksamkeit. Sie setzte sich auf das Lager aus Handtüchern, und prompt kletterten ihr alle vier auf den Schoß. „Ihr vermisst wohl eure Mum und euer Zuhause.“ Sie streichelte die flaumigen Köpfchen. „Auch wenn ihr es noch nicht wisst, hier habt ihr es viel besser. Wer weiß, was aus euch geworden wäre, wenn wir euch nicht gefunden hätten?“
„Es ist zehn vor vier.“
Erschrocken wandte sie den Kopf zur Tür.
Harry lehnte lässig an der Wand. Er trug eine dunkle Pyjamahose und einen offenen Bademantel, der seine muskulöse Brust enthüllte. Seine Haare waren vom Schlaf zerzaust. Er sah überwältigend aus. Wie lange beobachtete er sie wohl schon?
Plötzlich war ihr Mund wie ausgedörrt. „Ich weiß. Die Kleinen haben gejault. Sie hatten Hunger.“
„Du hättest sie ignorieren sollen.“
„Das konnte ich nicht.“ Die ausgeprägte Männlichkeit ganz in ihrer Nähe machte Gina bewusst, dass sie unter dem Bademantel splitterfasernackt war. Sie wollte den Gürtel fester binden, aber mit den Armen voller Welpen war das unmöglich. „Außerdem bist du ja auch aufgestanden. Also bist du auch nicht viel dickfelliger.“
„Stimmt.“ Er musterte sie forschend.
Warum hatte sie sich nicht wenigstens die Zeit genommen, sich zu kämmen? Außerdem war ihre Nase vom Weinen vermutlich so rot wie die des Rentiers Rudolph. Als der kleinste Welpe ihr in den Ausschnitt zu kriechen versuchte und der Bademantel dadurch noch weiter aufklaffte, setzte sie hastig alle vier auf den Boden und zog den Gürtel fester. Vorsichtig stand sie auf und sagte nervös: „Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.“
„Das hast du nicht.“
Gina wollte zur Tür hinausgehen, doch er gab wider Erwarten den Weg
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