Julia Extra Band 0295
würde.“
„Ich halte es für besser, mit nur einem Elternteil zu leben, der einen wirklich liebt, als beide zu haben, wenn man sich ihrer Liebe nicht sicher sein kann.“
„Ja, mag sein. Obwohl Lily im Moment nirgendwohin geht ohne ihre schreckliche Federboa. Seit drei Monaten. Ich habe schon Albträume davon, dass sie dieses Ding noch auf dem Abschlussfoto nach dem Studium trägt.“
Dan lachte herzlich. „Du schlägst dich hervorragend“, sagte er und fuhr plötzlich ernst fort: „Du bist eine tolle Mutter. Schon immer gewesen. Auf Cal konntest du dich ja nie verlassen, wenn er mal wieder mit einem seiner Mädchen durch Europa gejettet ist. Ich an deiner Stelle hätte mir bestimmt gewünscht, ihm zu zeigen, wie tief solch ein Verhalten verletzt. Hast du nie überlegt, es ihm heimzuzahlen?“
„Das klingt, als sei es kein besonders großer Schritt.“ Als sei es ganz einfach, fügte sie in Gedanken hinzu und sank tiefer in die Kissen. Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Scotch und genoss die wohltuende Wärme in ihrem Bauch. „Wo hätte ich jemanden kennenlernen sollen, mit dem es sich gelohnt hätte? Mein gesellschaftliches Leben bestand jahrelang aus Müttergruppen, Elternabenden und Arztbesuchen. Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen.“
„Das waren deine Gründe? Trägst du deshalb noch deinen Ehering?“ Dan sah Brooke direkt in die Augen.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie seit Minuten mit ihrem Ehering spielte. Ungewöhnlich, denn eigentlich bemerkte sie ihn gar nicht mehr. Schließlich steckte er seit acht Jahren an ihrem Finger – ein Drittel ihres Lebens.
„Hast du mal darüber nachgedacht, ihn abzulegen?“
„Du stellst aber schwierige Fragen, Dan. Wirklich.“
Dan lächelte nur. „Du vermisst ihn noch, oder?“
Brooke atmete tief durch. „Manchmal wie verrückt“, gab sie zu. „Seltsam. Unsere Ehe war schon lange nicht mehr glücklich, und zu Hause war er auch nie. Aber ich hatte immerhin das Gefühl, ihn mit meinen Gedanken erreichen zu können. Irgendwo lebte er, schwatzte mit Leuten. Das tröstete mich. Und heute kann ich ihn nicht mehr erreichen …“ Traurig lächelte sie und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Klingt das nicht richtig albern?“
„Nein. Ich weiß genau, was du meinst. Wenn spätabends das Telefon läutet, denke ich immer noch zuerst, dass er es ist. Cal hat ja häufig aus dem Ausland angerufen, ohne sich darum zu kümmern, wie spät es bei uns ist. Typisch Cal …“
„Wenn du über ihn reden willst – ich bin da“, erbot sich Brooke.
„Darauf werde ich sicher zurückkommen.“
Brookes Glas war noch nicht leer, aber der Scotch hatte seine wärmende Wirkung getan. Schon etwas schläfrig, stand sie auf. „Langsam wird es Zeit für mich, ins Bett zu gehen, sonst falle ich noch vor Müdigkeit um. Gehst du auch schlafen?“
„Ich fürchte, ich muss noch ein bisschen Arbeit nachholen.“
„Das ist unsere Schuld, nicht wahr?“
„Überhaupt nicht. Ich bin froh, dass ich euch helfen konnte und dass du hier bist.“
„Ich auch.“ Brooke lächelte dankbar. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Ich weiß, ich war dir eigentlich nie richtig sympathisch, oder?“
Einen Moment wartete sie auf seinen Protest, auf irgendeinen Hinweis, dass Simone mit ihren Theorien recht hatte. Dass sein Lächeln auf dem Foto wirklich ihr gegolten hatte. Aber er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Absurd – seine Reaktion beruhigte sie.
„Dann danke ich dir umso mehr für alles, was du heute für uns getan hast. Du bist ein guter Mensch, Daniel Finch.“
Dan nickte. Ein einziges Mal. Brooke ging und ließ ihn allein zurück.
Am nächsten Morgen betrat Brooke in ihrem Winnie-Pu-Pyjama die Küche. Ohne es vorher zu kämmen hatte sie ihr Haar zu zwei seitlichen Zöpfen gebunden.
So fest wie in der vergangenen Nacht hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen. Ihr Bett war ein Traum. Groß und weich, mit Daunenkissen und einer seidenweichen Decke. Beau und Lily lagen beide darin und schliefen noch.
Dan saß an dem runden Küchentisch, wie immer im schwarzen Anzug. Im Schein der Morgensonne las er die Zeitung. Brooke sank auf einen Stuhl neben ihm, langte blitzschnell über den Tisch und stibitzte von Dans Teller ein halbes Stück Toast.
Dan legte die Zeitung zusammen und musterte Brooke belustigt.
„Warum siehst du mich so an?“, fragte sie mit vollem Mund.
„Du hast mir eben mein Frühstück geklaut.“
Brooke schluckte.
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