Julia Extra Band 0295
zu null für dich“,stimmte sie ihm zu.„Eine neue Videokamera steht auch auf meiner Liste der Dinge, die ich besorgen muss. Leider fehlte mir bisher die Zeit. Deshalb vielen Dank. Bilder mit der digitalen Kamera sind nicht dasselbe.“
„Nein, den Schnappschüssen fehlt einiges.“ Duncan hielt an einer roten Ampel an und sah zu Reese hinüber. „Ich vermute, du möchtest jeden Piepser festhalten.“ Er verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln, und Reese lächelte zurück.
„Genau das habe ich vor.“ Ihre Miene wurde plötzlich ernst. „Daniel wird eines Tages Fragen stellen. Er wird wissen wollen, weshalb seine leiblichen Eltern ihn nicht behalten haben. Was sie bewogen hat, ihn zur Adoption freizugeben. Ich bin froh, dass wir den heutigen Tag in einem Film festhalten können. Ich möchte, dass er das Video später sieht und zweifelsfrei erkennt, wie heißt, er erwartet wurde und wie sehr er von Anfang an geliebt worden ist. Und dass seine leiblichen Eltern dies durch ihren Entschluss möglich gemacht haben.“
„Das wird er bestimmt begreifen.“
Duncan klang so zuversichtlich, als hätte er vor, dabei zu sein. Reese war längst nicht so sicher. Ihre Nerven begannen erneut zu flattern, während sie aus dem Wagenfenster auf den fließenden Verkehr schaute.
„Erinnerst du dich an den Aufsatz, den wir beide als Hausarbeit schreiben mussten?“
Er schnaufte verächtlich. „In dem ich meine Gründe angeben sollte, weshalb ich Vater werden wollte?“
Duncan hatte diesen Aufsatz gehasst, und Reese hatte es ihm nicht übel genommen. Es war bitter, etwas zu Papier bringen zu müssen, was leibliche Eltern niemals zu erklären brauchten.
„Ich habe damals geschrieben, dass ich Fingerabdrücke an meinen Fensterscheiben sehen möchte, Saftflecken auf meinen Teppichen und Kunstwerke mit Kreide an meinem Kühlschrank. Von all den wunderbaren Dingen, die wir einem Kind finanziell ermöglichen können, oder was für großartige Eltern wir meiner Ansicht nach abgeben werden, habe ich nichts erwähnt“, sagte sie. „Ich möchte einfach ein Kind, das ich lieben kann.“
„Ich weiß“, sagte Duncan ruhig. „Du wirst eine großartige Mutter sein.“
„Das hoffe ich. Aber meine Gründe sind ziemlich egoistisch.“
„Was soll das denn heißen? Weshalb sagst du das?“
„Meine Entscheidung, ein Kind zu adoptieren, ist durchaus nicht uneigennützig oder edel. Ich möchte Mutter sein. Es ist mir egal, wie dieses Wunder zustande kommt.“
„Genügt das nicht?“, fragte Duncan.
„Manche Menschen sind anderer Ansicht. Eine Lehrerin an unserer Schule erwähnte neulich, wie viel Glück dieses Baby hätte. Sie lobte mich dafür, dass ich mein Haus und mein Herz einem fremden Kind öffnete. Es klang, als wäre es eine noble Geste. Als würde ich dieses Kind retten .“ Reese lehnte den Kopf an die Stütze und atmete laut aus. „Meine Güte, Duncan, wenn hier jemand gerettet wird, dann ich!“
„Eine Menge Leute haben falsche Vorstellungen über die Adoption“, antwortete er achselzuckend.
Duncan sollte es wissen, dachte Reese. Er hatte selber mehr als genügend Vorurteile. „Ja, eine Menge“, stimmte sie ihm zu.
„Ich habe es meinen Eltern gestern Abend erzählt.“
Sie sah ihn erstaunt an. „Das mit dem Baby?“
Er nickte, und ein weiteres Geheimnis seines abendlichen Ausgangs war gelöst. Vielleicht sogar alle? Reese wollte nicht erleichtert sein, aber sie war es. Erleichtert und unwahrscheinlich neugierig.
„Hast du ihnen auch einen – hm – ehrlichen Bericht über die Situation zwischen uns gegeben?“
„Nein, das geht sie nichts an“, erklärte er erneut. „Außerdem wollte ich die Sache nicht komplizierter machen, als sie schon ist. Je weniger Leute wissen, dass wir – dass wir Schwierigkeiten haben, desto besser.“
Das ist sinnvoll, dachte Reese. Aus demselben Grund hatte sie ihre Familie ebenfalls nicht eingeweiht. Obwohl sie die Antwort mit ziemlicher Sicherheit kannte, fragte sie: „Und was war ihre Reaktion auf das Baby? Wie haben sie die Nachricht aufgenommen?“
Duncans Miene veränderte sich nicht. Nur seine Finger krallten sich um das Lenkrad, und die braunen Lederhandschuhe spannten sich über den Knöcheln.
„Sie haben die Nachricht ungefähr so aufgenommen, wie du vermutest.“
Reese nickte und stellte sich die Begegnung vor. „Aha. Das heißt also, dein Vater hat sehr wenig gesagt, und deine Mutter hat dich aufgefordert, mir den Plan wieder
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