Julia Extra Band 0295
Noah.
„Versuchen Sie es doch, Tollpatsch Brannigan“, rief Jennifer und rannte los. „Aufgestellt, Kinder. Diesmal bin ich der Lokführer.“
Noah sprang auf die Füße und erwischte gerade noch Tim, den Letzten in der Reihe. Jennifer hatte geschickt verhindert, dass er hinter ihr rutschte. Egal. Er genoss diese halbe Stunde mit seiner Familie, seiner glücklichen Familie. Das war ein Geschenk. Und ein weiteres Wunder, das ihm geschah.
„Uncle Joe, wir sind da“, rief Rowdy zur Begrüßung. „Wir holen Timmy ab.“
Jennifers Onkel kam um die Ecke des Hauses gebogen, das vor dem Schrottplatz lag. „Ahoi, Matrose.“ Er versuchte offenbar, wie ein Pirat zu klingen, obwohl er keinerlei Erfahrungen mit der Seefahrt gemacht hatte. „Welch Überraschung! Da ist ja auch Miss Cilla, das hübscheste Mädchen weit und breit.“
Die Kleine krallte sich an Jennifers Rock fest. Doch sie lachte immerhin. Der große grobschlächtige Mann war ihr nicht ganz geheuer. Aber weil ihre Brüder ihn mochten, gab sie ihm eine Chance.
„Ich habe angerufen, aber du warst wohl hinten.“ Jennifer gab ihrem Onkel einen Kuss. „Ist Tim da?“
Joe seufzte. „Er hat schlechte Laune, Jenny. Er drischt Nägel in Metall.“ Der ältere Mann schob den Hut in den Nacken. „Die Swans spielen heute Abend gegen St. Kilda. Ich könnte mit dem Jungen das Spiel ansehen und ihn dann nach Hause bringen. Es ist Freitag, morgen kann er ausschlafen. Lassen wir ihm doch die Chance wegzuhämmern, was ihn bedrückt. Und mir tut es auch gut, mit ihm zusammen zu sein.“
Jennifer griff nach Joes Hand. „Er ist ein Junge nach deinem Herzen, nicht wahr?“
Das machte Joe ein bisschen verlegen. „Wir sind vielleicht – seelenverwandt“, gestand er.
Noah arbeitete bereits wieder an der Veranda, als Jennifer auf den Hof fuhr. Doch nicht alle seine Kinder sprangen aus dem Auto. Tim fehlte, und die alte Angst übermannt ihn wieder. „Wo ist er?“
Jennifer blieb ruhig. „Er und Uncle Joe möchten gemeinsamm essen und sich dann ein Spiel anschauen. Ist Ihnen das recht? Uncle Joe bringt Tim danach her.“
„Daddy, Jenny hat mir das Puppenmuseum gezeigt. Es gehört ihrer Freundin Brenda. So viele Puppen habe ich noch nie gesehen“, platzte Cilla heraus.
Seine Tochter hatte ihm aus freien Stücken etwas erzählt! Angesichts dieses Wunders schluckte Noah seinen Ärger hinunter. „Ein Puppenmuseum? Wahnsinn! Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt.“ Ob sie freiwillig weitererzählte?
Cilla nickte eifrig. Ihre Augen strahlten. „Viele Leute geben ihre Puppen dort ab, hat die Frau gesagt. Manche Puppen sind ganz alt, und manche können sprechen. Manche sind hübsch angezogen, und manche Babypuppen trinken aus Fläschchen.“
„Es gibt auch Soldatenpuppen, Cilla“, mischte sich Rowdy ein und hüpfte von einem Bein aufs andere.
„Die haben Schießgewehre und Stöcke. Ich finde die blöd.“ Cilla verzog das Gesicht.
Noah lachte und legte die Hand auf ihren Lockenkopf. „Aber Jungen mögen das, Cilla.“
„Gehen wir morgen zusammen ins Puppenmuseum, Daddy?“
Seine Tochter wollte mit ihm etwas unternehmen!
Er nickte und lächelte. „Das ist eine Verabredung“, versprach er feierlich.
Jennifer stand abseits, aber ihm war klar, dass sie wusste, was dieses Gespräch mit seiner Tochter für ihn bedeutete.
In diesem Augenblick riss Rowdy sich los und preschte ins Haus. Nach einem Moment des Zögerns rannte Cilla ihrem Bruder hinterher.
Noah sah ihr nach, glücklich über die erste Unterhaltung seit so langer Zeit.
„Ist es in Ordnung, Noah? Ich meine mit Tim? Ich habe Uncle Joe versprochen, ihn deshalb anzurufen.“
„Ja, es ist in Ordnung. Wenn es ihn glücklich macht …“
„Es scheint ihm viel besser zu gehen.“ Sie ließ die halb ausgestreckte Hand sinken. „Sein Lehrer sagt, dass er sich in die Klasse eingefügt hat. Bestimmt wird er irgendwann mit Ihnen auch an dem Kinderhaus bauen.“
Jennifer gab sich Illusionen hin. Möglich, dass Tim jetzt mit anderen besser auskam, aber seinem Vater würde er erst wieder vertrauen, wenn seine Mutter zurückkäme oder er sicher wäre, dass sie für immer fortblieb. Tim machte ihn für das Verschwinden von Belinda verantwortlich.
Er drehte sich um und ging wieder an die Arbeit. „Das wäre schön“, log er.
„Ich weiß, dass Sie sich mehr wünschen, Noah. Sie möchten, dass er akzeptiert, was nicht zu ändern ist. Sie möchten, dass er Ihnen nicht länger verübelt, dass
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