Julia Extra Band 0295
mit ihr. Sie wusste, dass es für ihn nur eine ganz alltägliche lockere Unterhaltung war – nicht jedoch für sie. Sie mochte alles an ihm: von der Art, wie er seinen Stetson leicht schräg auf dem Kopf trug, bis hin zu seiner Körperhaltung, seinen Bewegungen. Wenn er lächelte, bekam er lustige kleine Fält chen um die Augen, und auf seiner linken Wange erschien ein Grübchen.
Ja, Justin Wheeler war der Inhalt unzähliger süßer Träume. Dabei wusste Marilee nicht viel über ihn. Nur, dass er das einzige Kind eines Ehepaares war, das sein Vermögen durch Rinderzucht und Öl gemacht hatte. Und dass er Single war und Calvins paniertes Beefsteak und den niederländischen Apfelkuchen liebte.
„Sieht so aus, als käme da noch ein Nachzügler“, sagte sie und deutete auf den Mann, der aus dem Truck kletterte.
Calvin drehte sich um. „Du liebe Güte, es ist dieser Cowboy … wie war noch mal sein Name?“
„Wheeler. Justin Wheeler“, entgegnete Marilee und wurde rot, als Calvin sie vielsagend angrinste und ihr zuzwinkerte.
„Du kennst seinen Namen, was?“, fragte er.
Sie zuckte die Schultern. „Ich habe ihn schon einmal bedient“, gab sie leise zurück. Verlegen senkte sie den Kopf und widmete sich scheinbar konzentriert den Knöpfen ihres Mantels.
Im nächsten Moment kam Justin durch die Tür ins Restaurant gestürmt.
„Junge, was zum Teufel machen Sie noch draußen auf der Straße?“, rief Calvin. „Haben Sie noch nicht bemerkt, dass es schneit?“
„Doch, das habe ich“, erwiderte Justin, nahm seinen Stetson ab und klopfte ihn leicht gegen sein Bein, um ihn vom Schnee zu befreien. „Ich müsste einmal Ihr Telefon benutzen, wenn ich darf. Mein Handy funktioniert nicht, und ich muss mir für heute Nacht hier im Ort ein Zimmer suchen. Bei diesem Wetter werde ich es unter keinen Umständen bis nach Hause schaffen.“
„Ich habe vor etwa einer Stunde gehört, dass alle Zimmer ausgebucht sind“, meldete Marilee sich zu Wort.
Justin wandte sich zu ihr um und lächelte strahlend. „Hey, Süße. Ich habe gar nicht gesehen, dass Sie dort stehen.“
Sie erwiderte sein Lächeln und ermahnte sich, dass es ihm nichts bedeutete, wenn er sie „Süße“ nannte. Es war einfach ein in Texas gebräuchlicher, guter alter Ausdruck für eine junge Frau. Dennoch fühlte sie sich seltsam gut, wenn er sie so nannte – beinahe besonders.
„Ich war gerade auf dem Sprung“, erklärte sie. „Aber wenn Sie hungrig sind, kann ich Ihnen noch etwas holen, bevor ich gehe.“
Er schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich brauche nur ein Zimmer für die Nacht.“
„Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen“, erwiderte Marilee. „Im Radio sagen sie, dass jedes Motel zwischen hier und Lubbock komplett ausgebucht ist.“
„Sie hat recht“, bestätigte Calvin. „Ich bezweifle, dass Sie noch irgendwo ein Zimmer finden. Aber Sie dürfen natürlich gern das Telefon benutzen.“
Marilee zeigte ihm den Apparat, reichte ihm ein örtliches Telefonbuch und zog sich dann in die Nähe von Calvins Eckbank zurück. Beide sahen zu, wie Justin einen Anruf nach dem anderen machte, und lauschten, wie er die Gespräche immer wieder erfolglos beendete.
Als er schließlich den Hörer auflegte, hatte sein Blick sich verfinstert. „Also, Sie hatten offenbar recht. Sämtliche Motels sind ausgebucht. Ich nehme an, Sie kennen nicht zufällig jemanden, der mir für diese Nacht ein Zimmer vermieten kann?“
Calvin runzelte die Stirn. „Nein, tut mir leid“, sagte er. „Aber selbstverständlich sind Sie herzlich eingeladen, im Roadrun ner zu übernachten. Ich denke, ich werde die Nacht hier auf der Eckbank verbringen.“
„Sie könnten mit zu mir nach Hause kommen“, platzte Marilee heraus – und konnte nicht fassen, dass sie das wirklich gesagt hatte.
Sobald die Worte ausgesprochen waren, wünschte sie sich, sie zurücknehmen zu können. Nur weil er in ihren Träumen aufgetaucht war, bedeutete das noch lange nicht, dass er auch Teil ihres Lebens sein wollte.
Justin überraschte ihre Einladung ebenso sehr wie Marilee selbst. Zum ersten Mal erwischte er sich dabei, in ihr mehr zu sehen als die groß gewachsene, schlaksige Kellnerin, die ihr braunes Haar zu einem Knoten hochsteckte und den vorderen Teil des Restaurants betreute.
Etwas verlegen bemühte Marilee sich, locker mit der Situation umzugehen und zu wirken, als sei die Einladung etwas ganz Normales. Doch innerlich hoffte sie, dass er ablehnen würde.
„Ich habe kein
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