Julia Extra Band 0295
mitten auf dem Tisch. Sie spiegelte sich im Glanz des blank polierten Eichenholzes, aus dem der Tisch und die Stühle gefertigt waren. Eine Kanne frisch aufgebrühten Kaffees stand auf dem Sideboard neben einem Teller mit süßen Brötchen.
Marilee bewunderte die Schönheit des Raumes. Dennoch fühlte sie sich angesichts der Situation ein wenig unwohl. Wie würden Justins Eltern ihr nach dem gestrigen Abend gegenübertreten? Erst als sie Justins Hand auf ihrem Rücken spürte, entspannte sie sich etwas. Trotzdem … die Zweifel blieben. Was würde in diesem Haus geschehen, wenn Justin einmal nicht da war? Schließlich konnte er nicht immer mit ihr zu Hause bleiben. Sie wusste, dass sie selbst ihren Platz finden musste.
Plötzlich kam eine stattliche Frau mittleren Alters ins Esszimmer. Offensichtlich hatte sie lateinamerikanische Wurzeln. Mit ihren dunklen Augen blickte sie zwischen Marilee und Justin hin und her.
Marilee riss sich unwillkürlich zusammen, denn sie hatte keine Ahnung, was sie erwartete.
„Guten Morgen, Maria“, sagte Justin freundlich. „Ich möchte Ihnen meine Frau vorstellen – Marilee.“
Die Frau lächelte Marilee warmherzig an. „Guten Morgen, señora . Es ist mir eine große Freude, Sie kennenzulernen, und eine noch größere Freude zu wissen, dass Sie neues Leben in dieses Haus bringen werden.“
Marilee erwiderte ihr Lächeln und entspannte sich. Das war das erste von Herzen kommende und ehrlich gemeinte Willkommen, seit sie angekommen war.
„Danke, Maria.“
„Gern geschehen. Und nun, Señor Justin – ich nehme an, Sie wollen Ihr übliches Frühstück?“
„Ja, bitte“, antwortete Justin.
Maria nickte und blickte Marilee an. „Und Sie, señora ,was würden Sie gern essen?“
Marilee zögerte, was Justin sofort bemerkte. „Nimm, was du willst, Süße. Maria ist ein Genie in der Küche.“
Mit einem Lächeln wandte Marilee sich an Maria. „Zuerst möchte ich Sie bitten, mich einfach Marilee zu nennen. Und zu essen … haben Sie schon einmal von Eiern auf spanische Art gehört? Ich habe schon seit Tagen Heißhunger darauf.“
Die Augen der älteren Frau begannen zu leuchten.
„Ja, ja, ich weiß, wie man Eier auf spanische Art zubereitet. Pochiert in einer Soße aus Tomaten, Zwiebeln und grüner Paprika, nicht wahr?“
Marilee nickte. „Und auf trockenem Toast serviert, bitte?“
Maria lachte und klatschte in die Hände. „Das ist toll! Endlich ist eine Frau im Haus, die weiß, wie man isst.“
Sie war schon in der Küche verschwunden, als Gavin und Judith im Esszimmer auftauchten.
„Ihr beide scheint Frühaufsteher zu sein“, bemerkte Gavin. Offensichtlich war er bestrebt, die hässliche Szene vom Vorabend vergessen zu machen.
Justin sah seinen Vater gerade lange genug an, um sicherzugehen, dass seine Freundlichkeit nicht erzwungen, sondern ehrlich gemeint war. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf seine Mutter. Wie würde sie reagieren? Sie schenkte ihm einen ihrer berühmten verletzten Blicke. Doch Justin hatte das schon so oft in seinem Leben gesehen, dass er sich davon nicht mehr beeindrucken ließ.
„Ich habe heute eine Menge aufzuarbeiten, und Marilee hatte Hunger“, erklärte Justin ihr frühes Aufstehen. Fürsorglich half er Marilee, sich an den Tisch zu setzen.
Judith indes schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, ging zum Tisch und ließ sich bedächtig auf einen Stuhl in der Nähe des Fensters sinken. Ein paar Minuten vergingen, in denen sie gemächlich drei Schlucke von ihrem Kaffee nahm. Dann, als hätte in ihrem Inneren ein Wecker geschrillt, setzte sie die Tasse ab, wandte sich Marilee zu und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln.
„Meine Liebe, ich will mich für den gestrigen Tag entschuldigen. Ich hoffe, Sie schreiben es der Überraschung zu und verzeihen mir.“ Mit der Hand deutete sie auf Gavin. „Wenn wir gerade dabei sind …Verzeihen Sie doch uns beiden unsere Gedankenlosigkeit.“
„Schon passiert“, entgegnete Marilee, obwohl sie Judith diese Entschuldigung nicht abnahm.
„Wundervoll“, säuselte Judith. „Da wir die Pflicht jetzt erledigt haben, möchte ich Sie bitten, mich heute nach Lubbock zu begleiten, um ein wenig einzukaufen. Wir besorgen Ihnen ein paar neue Kleider und was immer wir sonst noch gebrauchen können. Was meinen Sie?“
Justin wirkte mit einem Mal angespannt. Er traute seiner Mutter nicht. Und unter keinen Umständen konnte er zulassen, dass Marilee ihr ganz allein und praktisch schutzlos
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