Julia Extra Band 0297
aus?“
„Er leitet die Reit- und Dressurschule meiner Mutter. Shane kann wirklich hervorragend mit Pferden umgehen.“
„Ich verstehe.“ Er warf ihr einen langen Blick zu. „Und was machen Sie?“
„Ich bin Lehrerin.“
„Eine Lehrerin“, wiederholte er und lächelte merkwürdig. „Ja, ich kann Sie mir gut in einer Klasse vorstellen. Aber keine Jungs“, fügte er verschmitzt hinzu. „Die wären viel zu abgelenkt von Ihnen. Ich nehme an, dass Sie an einer Mädchenschule unterrichten?“
Marina wusste nicht genau, wie sie seine Äußerung deuten sollte. Dass sie die Jungs angeblich zu sehr „ablenkte“, ließ darauf schließen, dass er sie attraktiv fand, auch wenn ihn dieser Umstand offenbar ärgerte. Lag es an ihrer Verlobung? Würde er sich anders verhalten, wenn sie frei und ungebunden wäre?
Gäbe es dann … ein romantisches Intermezzo auf Winterborne Hall?
Dieser Gedanke erregte sie maßlos. Nur mit einiger Mühe erinnerte sie sich daran, dass mal wieder ihre Fantasie mit ihr durchging.
„Diesmal irren Sie sich“, erwiderte sie daher ein wenig zu scharf. „Ich unterrichte durchaus Jungen. Jungen und Mädchen. Ich bin Grundschullehrerin und habe eine Klasse Neun-bis Zehnjähriger. Oder zumindest hatte ich sie, bis meine Mutter krank wurde und ich mir bis zum nächsten Schuljahr Urlaub genommen habe.“
Zu seinem Lächeln gesellte sich ein amüsiertes Funkeln in den Augen. „Ah, aber Jungs in dem Alter zählen noch nicht – sie sind nur kleine Wilde. Ich dachte an die etwas ältere Sorte, die den Unterschied der Geschlechter bereits kennt. Und wie alt sind Sie, Marina?“
„Fünfundzwanzig.“
Wieder sagte er „ah“, so als befriedige ihn ihr Alter auf ganz besondere Weise.
Der Bentley bog in eine schmale Straße ein und schlängelte sich zwischen parkenden Autos hindurch zu einer noch engeren, mit Kopfstein gepflasterten Gasse. Die roten Backsteingebäude zu beiden Seiten waren drei Stockwerke hoch. Nur die bunten Blumenkästen lockerten die strenge Architektur etwas auf.
Lord Winterborne beugte sich nach vorn und klopfte seinem Chauffeur leicht auf die Schulter. „William, lassen Sie uns bitte direkt vor der Tür raus.“
Ein paar Sekunden später hielt die Limousine vor einem Haus mit einer großen braunen Holztür und goldenem Türklopfer. Geranien und Petunien hingen in Augenhöhe in Kästen an den Fensterbrettern.
„Und geben Sie mir für einen Moment den Schlüssel. Ich werde Miss Spencers Gepäck holen. Nein, streiten Sie nicht mit mir. Ich weiß genau, wie sehr Ihr Knie schmerzt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten Sie heute das Bett gehütet, und ich wäre selbst gefahren. Kommen Sie bitte ins Haus, wenn sie den Wagen geparkt haben, und lassen Sie sich ein Frühstück geben. Wir müssen uns erst in einer Stunde auf den Weg zur Bank machen.“
Der Chauffeur seufzte. „Sie verwöhnen mich, Mylord. Ihr Bruder hätte niemals …“
„Mein Bruder ist nicht länger Ihr Arbeitgeber, William.“
In diesem Moment erkannte Marina, dass es nicht nur das attraktive Gesicht war, das sie an dem Earl so faszinierte. Oder der umwerfende Körper. Es war der Mann an sich. Die ganze Person. Sein Charakter. Und ganz besonders sein Mitgefühl für andere.
„Warten Sie hier, bis ich Ihnen heraushelfe“, wies er sie an, bevor er selbst ausstieg.
Doch das tat sie natürlich nicht. Das entsprach einfach nicht ihrer Art. Als er mit dem Koffer den Wagen umrundete, war sie längst ausgestiegen.
Sein Lächeln wirkte ein wenig schief. „Ich dachte, Sie hätten gesagt: andere Länder, andere Sitten, und Sie wollten sich anpassen?“
Sie zuckte mit den Schultern und erwiderte das Lächeln. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“
Einen Moment starrte er sie nur an, dann schüttelte er den Kopf. Das tat er in ihrer Gegenwart ziemlich oft.
„Ich bezweifle, dass irgendetwas an Ihnen schwach ist, Marina“, sagte er, wenn auch reichlich kühl. „Wie die meisten Australier haben Sie unsere altmodischen Traditionen schnell als die albernen Gewohnheiten entlarvt, die sie meistens sind. Aber Sie kennen Henry noch nicht. Und Sie können mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass in diesem Apartment alles auf Henrys Art läuft – oder gar nicht!“
3. KAPITEL
„Wer ist Henry?“, fragte Marina, nachdem der Wagen um die Ecke verschwunden war.
„Er ist mein Kammerdiener. In Winterborne Hall hat er als Butler gearbeitet.“
„Was ist passiert? War er als Butler nicht
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