Julia Extra Band 0297
wenig.
„Das mag ja sein, Miss Marina, aber ich weiß, was ich weiß. Seine Lordschaft ist hingerissen von Ihnen. Täuschen Sie sich nicht. Und die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es nur wenige Frauen gibt, die ihm widerstehen können, wenn er erst einmal den berühmten Winterborne-Charme an den Tag legt.“
Marina wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie Henrys Worte als Kompliment auffassen oder Angst bekommen sollte.
Was sie selbst anging – da war es zwecklos, das Offensichtliche zu leugnen. Sie fühlte sich beängstigend zum Earl of Winterborne hingezogen. Kaum zu glauben, dass so etwas derart schnell gehen konnte! Doch so war es. Die Gefühle, die sie für Shane hegte, kamen ihr im Vergleich zu dem, was James mit einem bloßen Blick in ihr auslösen konnte, höchstens noch lauwarm vor.
Das hieß aber dennoch nicht, dass sie bereit war, mit dem Earl ins Bett zu springen.
„Ich habe schon viele Australier kennengelernt“, sagte Henry. „Und ich weiß, dass sie es nicht mögen, wenn man … um den heißen Brei herumredet? Deshalb hoffe ich, dass ich Sie nicht beleidige, wenn ich offen mit Ihnen spreche.“
Marina ahnte, dass ihr ganz und gar nicht gefallen würde, was als Nächstes kam. Mochte Henry auch schon eine Menge Australier kennengelernt haben, so hielt er doch offensichtlich nichts von der Moral ihrer Frauen.
„Seine Lordschaft macht gerade eine sehr schwere Zeit durch. Er ist in ständiger Sorge um die kleine Rebecca. Er betet dieses Mädchen an. Darüber hinaus ist seine Beziehung zu Lady Tiffany nicht so wie seine früheren Damenbekanntschaften. Insofern könnte es gut sein, dass er zurzeit für eine – wenn auch noch so vorübergehende – Verlockung sehr anfällig ist. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?“
Jetzt erinnerte Marina sich daran, dass Henry ihr erzählt hatte, dass Lady Tiffany immer im Rosenzimmer schlief, wenn sie über Nacht blieb. Da diese moderne junge Frau jedoch kurz vor ihrer Verlobung mit James stand, wäre es da nicht wesentlich natürlicher gewesen, wenn sie in seinem Bett schlief?
Die Erkenntnis, dass James nicht mit seiner zukünftigen Braut schlief, hätte Marina nicht derart freuen dürfen.
Doch sie tat es.
„Ich sehe, dass Sie verstehen, was ich meine“, bemerkte der Kammerdiener steif. Der Ausdruck in seinen Augen verhieß nichts Gutes, auch wenn er sich ansonsten um eine gleichmütige Miene bemühte. „Vielleicht habe ich zu viel gesagt“, murmelte er.
Marinas glückliches Lächeln brach ab. „Nein, nein, Henry, Sie haben das Richtige getan“, versicherte sie ihm schnell. „Und ich werde Ihnen gegenüber genauso offen sein. Ich verspreche Ihnen, dass ich nichts plane, was Seine Lordschaft oder seine bevorstehende Heirat kompromittieren würde. Ich mag James sehr. Und er ist zweifellos äußerst attraktiv. Aber ich bin keine Närrin. Und auch keine Frau mit einer losen Moral.“
„Miss Marina! Das wollte ich nie und nimmer andeuten …“
Lächelnd winkte sie ab. „Nein, das weiß ich. Aber Sie scheinen zu glauben, dass ich in dieser Sache keinen eigenen Willen besitze. Glauben Sie wirklich, James muss sich mir nur nähern, und ich vergesse meinen Verlobten? Ganz sicher nicht“, betonte sie und hoffte inständig, dass es der Wahrheit entsprach.
„Außerdem glaube ich, dass Sie James’ Gefühle für mich überschätzen. Warum sollte er derart von mir fasziniert sein? Ich bin nicht besonders schön. Es gibt sicher eine Menge Frauen in James’ Leben, die wesentlich besser aussehen – und noch dazu willig sind, Henry“, fügte sie mit einer gewissen Schärfe hinzu.
„Ich habe die Gefühle Seiner Lordschaft für Sie durchaus nicht überschätzt“, widersprach Henry. „Aber ich glaube, dass Sie Ihre Reize unter schätzen, Miss Marina. Ganz abgesehen von Ihrer wundervollen Figur, besitzen Sie eine geradezu leuchtende Schönheit. Und was Ihr Haar angeht … es ist von einer derart strahlenden Farbe, dass jeder Mann es einfach berühren möchte.“
Marina errötete, während sie unwillkürlich mit einer Hand ihre Locken streifte. „Sie übertreiben.“
„Nicht im Geringsten. Ich weiß, was meinem Jamie-Boy gefällt.“
Ungläubig starrte sie den alten Kammerdiener an. Dass er den alten Spitznamen seines Schützlings benutzt hatte, bewies ihr, dass er den Earl in der Tat in- und auswendig kannte.
„Sie machen mir Angst, Henry.“
„Das will ich nicht hoffen. Doch es würde mir gar
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