Julia Extra Band 0297
perfekt sein? Warum konnte sie keine gelben Zähne haben oder hässliche Piercings oder einen Überbiss? Nein, stattdessen zeigte ihr Lächeln eine Reihe ebenmäßiger, strahlend weißer Zähne.
Körperliche Perfektion bewunderte und begehrte sie bei James. Doch bei diesem zauberhaften Wesen fand Marina sie geradezu schrecklich. Dabei hatte James diese wunderschöne Frau noch kein einziges Mal angerührt – zumindest nicht im sexuellen Sinne.
Warum eigentlich nicht, fragte sich Marina urplötzlich. Lady Tiffany war bestimmt keine Jungfrau mehr. Heute erschien es geradezu unmöglich, dass eine Frau mit einundzwanzig – und noch dazu mit einem derart blendenden Aussehen – noch unberührt war.
Doch je länger Marina in diese haselnussbraunen Augen sah, desto sicherer war sie, dass Lady Tiffany tatsächlich noch mit keinem Mann geschlafen hatte.
Absolut sicher!
In ihrem Gesicht lag so eine ahnungslose Unschuld. Die Blicke, die sie James zuwarf, sprachen nicht von rasendem Verlangen, sondern eher von einer Art blinder Verehrung. Und der zarte Kuss, den sie auf seine Wange gehaucht hatte, zeugte eher von der Zuneigung einer Schwester als von einer Geliebten.
Doch auf was, in aller Welt, wartete James? Wenn Marina mit ihm verlobt wäre, dann würde sie nicht …
„Sieh mal, Onkel James“, rief Rebecca belustigt. „Marina träumt in den Tag hinein, so wie ich das auch immer tue!“
Hastig riss Marina sich zusammen und ging wieder zum Bett hinüber. „Es ist vollkommen in Ordnung, in den Tag hinein zu träumen. In meinen Tagträumen habe ich immer ganz viel Spaß.“
„Ich auch“, entgegnete Rebecca fröhlich. „Wenn ich in den Tag hinein träume, bin ich immer schon groß und schön, mit Haar so wie deinem. Ich bin dann nie krank. Und mit einem Mann wie meinem Onkel James verheiratet. Wir haben ganz viele Kinder. Ich mag es nicht, dass ich ein Einzelkind bin“, fügte sie mit kleinem Schmollmund hinzu.
Wieder zog sich Marinas Herz schmerzhaft zusammen. Der Traum des Kindes glich ihrem eigenen sehr. Was würde sie dafür geben, an Lady Tiffanys Stelle zu sein!
„Als Einzelkind hat man aber auch ein paar Vorteile“, entgegnete Marina sanft und setzte sich noch einmal auf die Bett-kante. „Zum einen stärkt es deine Vorstellungskraft und auch deine Selbstständigkeit.“
„Was ist Selbst… Selbst…“ Frustriert verzog Rebecca das Gesicht. „Das, was du gerade gesagt hast!“
„Es bedeutet, dass du viele Dinge ganz allein tun kannst. Dass du stark bist.“
„Onkel James sagt mir immer, dass ich stark bin.“
„Und er sagt auch, dass du zu viel redest“, schaltete er sich ein. „Jetzt verabschiede dich von Tiffany, Schatz. Sie muss gehen.“
„Muss das sein?“, jammerte die Kleine und klang dabei zum ersten Mal wie eine Siebenjährige. „Sie hat die Geschichte über die Prinzessin noch gar nicht zu Ende gelesen.“
„Ich kann dir die Geschichte zu Ende vorlesen“, bot Marina an. „Ich gehe nämlich nirgendwohin, sondern schlafe heute Nacht hier.“
„Prima! Dann kannst du jetzt gehen, Tiffany.“
Lady Tiffany lachte gutmütig. „So sieht es also mit der Loyalität der Winterbornes aus. Aber ich werde dir trotzdem ein Geschenk aus Italien mitbringen.“
„Und bekommt dieser Winterborne hier auch ein Geschenk, wenn du aus Italien zurückkommst?“, fragte James und warf seiner Zukünftigen dabei einen nachdenklichen Blick zu. Zumindest kam es Marina so vor.
Doch die junge Frau lachte nur und schien die sexuelle Spannung, die von dem Mann ausging, der seinen Arm um ihre Taille hielt, gar nicht zu bemerken.
„Was könnte ich dir schon kaufen, James?“, fragte sie. „Du hast alles, was du dir wünschen könntest, in deiner Wohnung.“
„Nicht alles, was man sich wünscht, gibt es für Geld, Tiffany“, entgegnete er.
Daraufhin warf sie ihm einen völlig verständnislosen Blick zu.
„Du machst dich jetzt besser auf den Weg“, sagte James, und es klang ein bisschen, als käme es zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus.
„Ja, du hast recht. Nächsten Montag komme ich zurück. Mit der Morgenmaschine.“
„Ich werde da sein“, erwiderte er.
Marina glaubte, in seiner Antwort einen ganz leisen Seufzer zu hören.
Doch Tiffany schien von der Anspannung ihres Verlobten nichts zu bemerken.
„Du verwöhnst mich“, sagte sie und küsste ihn erneut auf die Wange, bevor sie sich an Marina wandte. „Leben Sie wohl“, verabschiedete sie sich freundlich. „Ich fürchte,
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