Julia Extra Band 0297
gelauscht“, half James ihr nach. „Du weißt, dass das nicht richtig ist, Rebecca.“
„Ich finde es nicht so schlimm“, verteidigte sie sich trotzig. „Es ist die einzige Möglichkeit, um interessante Sachen herauszubekommen. Sonst erzählt uns Kindern ja niemand etwas!“
Um James’ Mundwinkel zuckte es amüsiert, wie Marina erleichtert feststellte. In diesem Moment hielt der Wagen vor dem Eingangsportal, und Rebecca wollte sofort heraus. William brauchte neuerdings zu lang, um die Türen zu öffnen, wie sie ihrem Onkel anvertraute.
„Also gut, aber nicht rennen“, ermahnte er sie, bevor er ihren Gurt löste und die Tür öffnete. Rebecca sprang heraus und stürmte die Treppe herauf. Dort stand bereits eine rundliche, grauhaarige Lady und empfing das Kind mit weit ausgebreiteten Armen.
„Das ist Mildred“, erklärte er mit einem Seufzer. „Sie ist schon seit mindestens hundert Jahren die Haushälterin auf Winterborne Hall. Zumindest scheint es so. Natürlich ist sie erst sechzig, und sie hängt unglaublich an Rebecca. Ich weiß nicht, was sie tut, wenn die Transplantation erfolglos sein sollte. Mein Gott, ich weiß nicht, was ich dann tue“, stöhnte er gequält.
Ohne weiter nachzudenken, legte Marina eine Hand auf seinen Arm. Als er sie mit traurigem Blick ansah, wusste sie, dass sie alles tun würde, um ihn zu trösten.
„Du darfst dir keine Sorgen machen“, sagte sie sanft. „Und pack sie nicht in Watte. Sondern behandle sie wie ein ganz normales Kind mit einer Zukunft. Du musst ein wenig Vertrauen haben, James. Wenn du daran glaubst, dass Rebecca gesund wird, und sie entsprechend behandelst, dann wird sie selbst auch daran glauben und gesund werden!“
Voller Bewunderung und Dankbarkeit erwiderte er ihren Blick. „Versprich mir, dass du es dir wegen heute Nacht nicht anders überlegst“, sagte er plötzlich eindringlich. „Versprich es mir jetzt. Sag es!“
„Ich … ich verspreche es dir“, wisperte sie bebend.
„Und nicht nur für ein oder zwei Stunden, sondern die ganze Nacht“, verlangte er.
Sie zitterte, denn die Leidenschaft in seiner Stimme war deutlich herauszuhören.
Ein Kopfnicken war alles, was sie unter diesen Umständen zustande brachte.
In diesem Moment öffnete William die Tür, und Marina war froh, dass sie sich abwenden und aussteigen konnte. Doch sie wusste, dass ihr nur eine kurze Atempause blieb. In dieser Nacht würde sie sich ihm ganz ausliefern.
Sie konnte nur hoffen, dass er gnädig sein würde.
9. KAPITEL
Mit einem Ruck wachte Marina auf – wie es einem eben passierte, wenn man in einem fremden Bett einschlief. Sie setzte sich halb auf, warf einen Blick in den nur spärlich erhellten Raum und sank dann mit einem Seufzer zurück ins Kissen. Dabei betrachtete sie die Person neben sich, die tief und fest schlief.
Rebecca wirkte vollkommen friedlich, so wie die meisten Kinder im Schlaf. Marina hatte ihr aus einem Buch vorgelesen, doch der Kleinen fielen schon bald die Augen zu. Kein Wunder – schließlich hatte sie ihrem Besuch alles, aber auch wirklich alles zeigen müssen: das Haus, den Pool, den Tennisplatz, die Pferde, den See und den Pavillon, wobei sie unaufhörlich erzählte.
Nach dem Lunch hatte James darauf bestanden, dass Rebecca sich hinlegte und ein kleines Mittagsschläfchen hielt. Marina legte sich neben sie und las ihr aus Enid Blytons Zauber baum vor. Doch es dauerte nicht lange, und die Kleine schlief.
Währenddessen saß James in einem Ohrensessel am anderen Ende des Raums. Er bestand darauf, dass Marina die Geschichte zu Ende las, weil er Enid Blyton als Kind geliebt hatte und nicht genug von ihren Geschichten bekommen konnte.
Ob sie die Geschichte tatsächlich zu Ende gelesen hatte, wusste Marina nicht. Irgendwann mussten auch ihr die Augen zugefallen sein. Das Buch, bemerkte sie jetzt, war nach unten gesegelt und lag auf dem Teppich. Und was James anging …
Sie schaute rasch hoch und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass James immer noch da war. Auch er schlief tief und fest. Lieber Himmel, wie spät es wohl war?
Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass die Zeit noch gar nicht so weit fortgeschritten war, wie sie befürchtet hatte und das halbdunkle Licht vermuten ließ. Gerade erst sechs. In diesem Moment bemerkte sie, dass jemand die Vorhänge zugezogen hatte. Ob das James gewesen war? Oder Mildred? Vielleicht sogar Talbot, der Butler?
Dinner gab es erst um halb acht. Deshalb beschloss Marina, noch niemanden zu
Weitere Kostenlose Bücher