Julia Extra Band 0297
erzählen, während wir uns auf der Terrasse wie zwei kampfbereite Feinde gegenüberstehen?“
„Ach, wie hast du es dir denn vorgestellt, mich in alles einzuweihen?“, schoss sie zurück. Heiße Tränen brannten in ihren Augen. Hoffentlich, dachte sie, fange ich jetzt nicht an zu weinen. „Hast du geglaubt, ich bin im Schlafzimmer zugänglicher? Weil deine fantastischen Fähigkeiten als Liebhaber garantieren, dass du mit praktisch allem davonkommst? Ein schneller Kuss, eine langsame Berührung, und die gute alte Alice wird schon schlucken, was ich ihr sage?“
„Hör auf, mich auf diese Weise zu beleidigen!“, fuhr er auf.
„Dich beleidigen?“ Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass einzelne Strähnen sich aus ihrem Zopf lösten. „Bitte, spiel nicht den Moralapostel, Kyros. Ich denke wirklich nicht, dass du dich dazu in der richtigen Position befindest!“
„Setz dich“, wiederholte er stur, ohne auf das von ihr Gesagte einzugehen.
Weil sie den unterschwelligen Druck in seiner Stimme nicht länger ertrug – und weil ihre Knie so weich waren, dass sie jeden Moment nachzugeben drohten –, ließ sie sich in einen der gepolsterten Liegestühle sinken. Beinhaltete es nicht eine gewisse Ironie, dass sie erst gestern hier, auf der Terrasse, unter dem Sternenhimmel gegessen hatte? Berauscht von dem Duft der Blumen, der milden griechischen Nacht und dem verheißungsvollen Glitzern in den Augen ihres Ehemannes? Dabei war alles nur Augenwischerei gewesen!
„Okay, fang an. Selbst einem so charismatischen Mann wie dir dürfte es schwerfallen, sich aus dieser Sache herauszuwinden. Oder willst du das gar nicht erst versuchen?“
„Meinst du nicht auch, dass jeder Mensch rückblickend manche Entscheidungen in seinem Leben anders beurteilt? Hast du das selbst nie getan, Alice? Oder bist du perfekt?“ Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er kopfschüttelnd fort. „Als ich damals in England mit dir Schluss gemacht habe, hielt ich es wirklich für das Beste. Ich hatte miterlebt, wie die Ehe meiner Eltern gescheitert ist. Meine Mutter hat das eine große Tabu Griechenlands gebrochen und ihre Familie im Stich gelassen.“
Von dem Schmerz, den er empfunden hatte, erzählte er ihr nichts. Warum auch? Sogar seinem Zwillingsbruder hatte er seine Gefühle verheimlicht. Sie waren zwei verwirrte Jungen gewesen, die sich in sich selbst zurückgezogen hatten, weil sie schlicht nicht begreifen konnten, wie eine Mutter ihre Söhne für einen Liebhaber verlassen konnte.
Plötzlich blickten seine dunklen Augen kalt und leer. „Die Ehe meiner Eltern war die einzige auf der Insel, die zerbrochen ist. Die glücklichen Ehen wurden zwischen Männern und Frauen geschlossen, die hier aufgewachsen sind. Ich habe sie so sehr um ihr intaktes Zusammenleben beneidet. Ich bekam eine endlose Abfolge von Kindermädchen, die zu sehr damit beschäftigt waren, mit den Kellnern in den Bars zu flirten, um zwei kleinen neugierigen Jungen genug Aufmerksamkeit zu widmen. Vielleicht ist die Erklärung zu simpel, aber ich habe immer geglaubt, ich könne eine glückliche Familie gründen, wenn ich auf die Insel zurückkehre und eine einheimische Frau heirate.“
„Nachdem du dich ordentlich ausgetobt hast, nehme ich an.“
Kyros erkannte den Trotz in ihren Augen. Aber sie konnte nicht die Wahrheit erfahren und sich gleichzeitig davor beschützen. „Ja. Eine englische Braut war nicht Teil meines Plans, vor allem nicht zu einem so frühen Zeitpunkt. Von London aus bin ich nach Athen gegangen. Dort habe ich begonnen, Immobilien zu kaufen …“
„Und dein Vermögen zu verdienen“, warf Alice langsam ein. Allmählich fügte sich alles zusammen. Der Privatjet. Der silberne Sportwagen. Das große Haus … Und die kleine Abordnung Männer, die sie vom Flughafen abgeholt und Kyros wie einen Gott behandelt hatten. Wieso war sie nicht schon frührer darauf gekommen?
„Ja.“ Kyros beobachtete sie aufmerksam. „Dann, als ich glaubte, es sei an der Zeit, bin ich nach Kalfera zurückgekehrt.“
Alice konnte sich nur zu genau die Aufregung unter der weiblichen Inselbevölkerung vorstellen, als der attraktive und äußerst wohlhabende griechische Junggeselle auf das Eiland seiner Kindheit zurückkam. „Was ist passiert?“
Wie sollte er Alice, die er nicht einmal, sondern gleich zweimal verletzt hatte, erklären, dass die Realität seine Erwartungen nicht erfüllt hatte? Dass die Idealfrau seiner Träume nicht existierte? Er hatte zu viel gewollt:
Weitere Kostenlose Bücher