Julia Extra Band 0297
eine Frau, die auf Kalfera aufgewachsen war und seine Wertvorstellungen teilte. Die aber dennoch über die Eleganz und Weltgewandtheit verfügte, die er bei den europäischen Frauen zu schätzen gelernt hatte.
„Man stellte mir eine Frau namens Katarina vor …“
„Ist sie Olympias Mutter?“
„Ja.“
Alice schluckte. „Wie ist sie so?“
Wie sollte man seiner Ehefrau erklären, dass die Mutter seiner Tochter ihr Gegenteil war? Welche Schlüsse würde sie daraus ziehen? „Sie war sehr griechisch und sehr hübsch.“
„Dann hast du also gefunden, wonach du gesucht hast, Kyros?“
Kyros nickte. „Zumindest für eine Weile. Doch dann erkannte ich, dass es mit uns nicht funktionieren würde. Zumindest nicht auf die Dauer. Sobald mir das klar war, habe ich es ihr erzählt.“
Er verstummte. Alice brauchte gar nicht zu fragen, was Katarina daraufhin gesagt hatte. Welche Frau wäre nicht völlig betäubt, wenn sie von einem Mann wie Kyros verlassen wurde?
„Was ist dann geschehen? Wie ist sie schwanger geworden?“ Alice zuckte zusammen. „Wie dumm von mir! Natürlich auf dem üblichen Wege.“
„Lass mich dir alles der Reihe nach erzählen“, meinte Kyros ruhig. „Nach dem Ende unserer Beziehung hat Katarina die Insel verlassen. Ein Jahr später ist sie mit dem Baby zurückgekommen. Meinem Baby.“
„Du wusstest, dass sie schwanger war?“
„Selbstverständlich wusste ich es nicht! Das Kind war ja nicht gerade geplant gewesen.“
„An einem Ort wie Kalfera muss das einen ziemlich großen Skandal verursacht haben.“ Alice schaute ihn an. Mit einem Mal überkam sie das Gefühl, doch einem Fremden gegenüberzusitzen. Wie viele Geheimnisse verbarg er noch vor ihr? „Was hast du dann gemacht? Und wo ist Katarina jetzt?“
„Unter den gegebenen Umständen habe ich das einzig Richtige getan. Ich habe ihr angeboten, sie zu heiraten.“
In diesem Augenblick war Alice froh über seine beharrliche Aufforderung, sie solle sich setzen. Denn wahrscheinlich wäre sie genau jetzt zusammengebrochen.
„Du warst schon einmal verheiratet?“, flüsterte sie.
Ungeduldig schüttelte Kyros den Kopf. „Meinst du nicht, so ein Vorgang wäre in den Dokumenten aufgetaucht, die wir für unsere Hochzeit vorlegen mussten?“
„Woher soll ich das wissen?“ Ihre Stimme zitterte. „Vielleicht hast du dich irgendwie freigekauft.“
„Glaubst du das wirklich?“
„Warum nicht? Du hast mir bereits mehr als deutlich gezeigt, dass für dich nahezu alles möglich ist.“ Sie zuckte mit den Schultern, als könne sie so den Schmerz abschütteln, der wie ein schweres Gewicht auf ihr lastete. „Also, was ist passiert? Ich möchte den Rest auch noch hören.“
Am liebsten hätte er sie gebeten, ihn nicht auf sobrutale Weise zu beurteilen. Und er hätte gerne den Schmerz und die Qual in ihren Augen weggeküsst. Doch ihre verschlossene Miene warnte ihn davor, sich ihr zu nähern.
„Ich wollte meine Pflicht erfüllen. Für Katarina und für Olympia. Wie du schon vermutet hast, begegnet man auf einer kleinen Insel wie Kalfera einem unehelichen Kind mit einigem Stirnrunzeln. Deshalb habe ich ihr den Antrag gemacht.“
Kyros wandte den Kopf und betrachtete das Spiel von Licht und Schatten auf dem Stamm eines Baumes. „Die Hochzeitsvorbereitungen schritten voran.“ Wieder verstummte er. Emotionen waren schon eine seltsame Angelegenheit. Manchmal trafen sie einen wie ein Hammerschlag, ganz gleich, wie sehr man versuchte, die Reaktion abzumildern. Und manche Dinge verloren nie ihre Macht zu verletzen. Er ballte die Hände zu Fäusten. „Katarina kam bei einem Verkehrsunfall zwei Tage vor der Hochzeit ums Leben.“
Entsetzt schaute Alice ihn an. Der Gedanke, dass eine junge Mutter in der Blühte ihrer Jahre aus dem Leben gerissen wurde, rüttelte sie aus ihrer eigenen Traurigkeit.
„Oh, Kyros“, sagte sie. „Das ist ja furchtbar.“
Er wandte sich wieder zu ihr um. Ihr Mitgefühl weckte in ihm den Wunsch, sie sofort in die Arme zu schließen. Er wollte ihr übers Haar streicheln, wie sie es im Flugzeug bei ihm getan hatte. In jenem außergewöhnlichen Moment hatte er wahren Frieden gefühlt. „Ja“, stimmte er zu. „Furchtbar für sie. Und schrecklich für Olympia. Und natürlich für Katarinas Eltern.“
„Du hast das Baby nicht zu dir genommen?“
„Nein. In Griechenland macht man das nicht so. Ich war oft unterwegs und konnte mich einfach nicht permanent um ein kleines Mädchen kümmern. Außerdem bedeutete
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