Julia Extra Band 0297
getrieben hatte. Und er war schon lange nicht mehr neugierig gewesen.
Endlich einmal war es ihm gelungen, ohne seine Entourage von Sicherheitskräften und überfürsorglichen Gastgebern unterwegs zu sein. Daher stand es ihm frei, seine Neugier zu befriedigen und seinen Instinkten zu folgen. Nur weil sein Sicherheitschef endlich eingesehen hatte, dass er Khalid etwas Freiheit zugestehen musste.
Sechs Wochen lang hatte Khalid pflichtbewusst die königlichen Besitztümer seines Halbbruders in Europa, Amerika und Australien besucht. Aber er teilte Faruqs Liebe zu Glanz und Luxus nicht. Als Erbe seines todkranken Halbbruders hatte man Khalid jedoch seit Kurzem ein riesiges Sicherheitsgefolge an die Seite gestellt. Der immense Umfang war eher auf Faruqs Sinn für das Außergewöhnliche als auf eine echte Bedrohung zurückzuführen.
Am überflüssigsten fand Khalid jedoch die sozialen Verpflichtungen! Seine Zeit wäre besser genutzt, wenn er sich um sein jüngstes Projekt kümmern könnte: eine Frischwasserversorgung des abgelegenen Berglands von Shajehar. Das würde seinem Volk wenigstens eine spürbare Verbesserung der Lebensgrundlage bringen.
Vor ihm tauchten gedämpfte Lichter in der Dunkelheit auf, und etwas Anspannung fiel von Khalid ab. Gleich konnte er seinen Schützling ins Warme bringen und einen Arzt rufen, falls das nötig war. Geschickt lenkte er den Wagen um die Garagen herum und hielt vor dem hinteren privaten Flügel der weitläufigen Anlage.
„Da sind wir.“ Vorsichtig legte er eine Hand an ihre Wange. Sie war eiskalt. „Maggie! Wach auf!“
Wieder diese Stimme, und dieses Mal klang sie richtig eindringlich.
„Maggie!“
Unwillig wehrte sie die Hand ab, die ihre süßen Träume stören wollte. Dann spürte sie einen warmen, kräftigen Arm im Nacken und hatte das Gefühl zu schweben. Dicht an ihrem Ohr pochte ein kräftiger Herzschlag, und Maggie fühlte sich so geborgen wie noch nie.
Instinktiv kuschelte sie sich an den festen, wärmenden Körper und atmete tief durch. Doch der Körper war ganz nass, und sie öffnete erschrocken die Augen, nur um festzustellen, dass sie durch den stürmischen Regen in ein Haus getragen wurde.
Sie befanden sich auf Tallawanta.
„Sie … Du kannst mich jetzt runterlassen“, verlangte sie abrupt, doch Khalid beachtete diesen Einwand nicht.
Schweigend trug er sie durch lange Flure und setzte sie schließlich vorsichtig auf dem Boden ab. Noch immer lag Maggie in seinen Armen, und sie hatte das unbestimmte Gefühl zu träumen.
„Und jetzt ist es Zeit für dich, diese Kleider loszuwerden“, murmelte die verführerische Stimme.
„Wie bitte?“ Mit einem Mal war sie hellwach und stemmte ihre Hände gegen seine Brust.
Ihm fiel auf, dass ihre großen Augen eine goldene Farbe hatten, in die sich ein paar hellgrüne Flecken mischten: faszinierend.
„Du musst aus den nassen Sachen heraus.“
„Nicht solange du dabei zusiehst.“ Formalitäten schienen vergessen, und Maggies Wangen färbten sich rosa, was ein paar leichte Sommersprossen noch besser zum Ausdruck brachte.
„Ich möchte nur nicht, dass du dich erkältest. Auf deinen Körper habe ich es nicht abgesehen.“
Ihre Gesichtsfarbe wurde dunkler, und sie biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich brauche keine Hilfe.“
Ihre Haltung stachelte seine Neugier weiter an, und heute gehörte seine Zeit endlich einmal nur ihm allein.
An zwei Dinge hatte Khalid immer geglaubt: Instinkt und Pflicht. Vor Jahren, in den dunklen Trauertagen nach Shahinas Tod, hatte ihn nur sein Pflichtgefühl am Leben gehalten. Die Verantwortung für seine Leute wahrzunehmen hatte ihm eine Aufgabe und auch Kraft gegeben, als er in der Trauer um seine geliebte Frau zu versinken drohte.
Seither ließ er sich von seinen Instinkten und seinem Pflichtgefühl lenken.
Und von etwas anderem. Maggie Lewis hatte ihn auf eine Art berührt, die er schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt hatte. Diese Erkenntnis faszinierte und erschreckte ihn gleichermaßen.
„Hätte ich dich dort draußen dem Sturm überlassen sollen?“
„Das meinte ich nicht. Ich bin wirklich dankbar für die Rettung.“ Ungläubig sah sie sich in dem geräumigen Marmorbad um. „Es wäre einfacher gewesen, wenn du mich nach Hause gebracht hättest.“
Ihre Aussprache klang undeutlich, aber ihre Augen waren offen und klar. Deshalb vermutete er, dass eine fiebrige Erkältung und nicht Alkohol oder Drogen dafür verantwortlich
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