Julia Extra Band 0299
unserer Mutter.“
Bei der Erwähnung seiner Mutter und Schwester verkrampfte sich alles in Rosanne. Immerhin lebten sie nicht hier bei ihm! Erleichterung durchflutete sie. Sie musste für jede kleine Gnade dankbar sein. Aber früher oder später würde sie seiner Familie begegnen müssen, und Zeit und Umstände hatten sie ihr gegenüber wohl kaum freundlicher gestimmt.
In diesem Moment stand María auf und hob Zac aus seinem Stuhl. „Ich werde ihm frische Kleider anziehen …“, murmelte sie und verließ mit dem Jungen auf dem Arm das Esszimmer.
Allein mit Isandro bemerkte Rosanne erst jetzt, dass er sich noch nicht für die Arbeit umgezogen hatte, sondern Jeans und T-Shirt trug. Der Stoff spannte ein wenig und betonte seine breite muskulöse Brust.
Er schaute sie über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg an. „Keine schlimmen Träume mehr?“
„Nein.“
Sie senkte den Kopf. Dennoch hatte Isandro die dunklen Schatten unter ihren Augen gesehen. Bei dem Gedanken, wie ungeduldig er gestern Nacht mit ihr umgegangen war, verspürte er plötzlich Reue.
„Ich bin sicher“, meinte er im Plauderton, „dass das nur von deinem schlechten Gewissen kommt.“
Unvermittelt blickte Rosanne auf. Seine Worte schmerzten wie Messerstiche.
Isandro vermochte kaum zu glauben, was er sah – eine tiefe Qual lag in ihren violetten Augen. Nein, er musste sich irren.
„Isandro …“ Rosannes Stimme klang rau. „Ich bitte dich nur um eine Chance. Das ist alles. Du hast die Bedingungen bestimmt. Ich werde nichts tun, was du nicht willst. Ich möchte nur diese eine Chance.“
Er lehnte sich zurück und musterte sie. Die gerade, ein wenig verkrampfte Haltung, die Anspannung, die von ihr ausging. Ihr Körper war viel zu dünn, ihre Handgelenke wirkten so zart … als würden sie zerbrechen, wenn man sie zu fest hielt.
„Du hast die beste Chance von allen. Schließlich bist du hier, oder?“, stieß er hervor.
Sie nickte und schaute hinab auf ihren Teller. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, sodass Isandro ihre Augen nicht sehen konnte. Er musste sich zwingen, nicht die Hand auszustrecken und die seidigen Strähnen zurückzustreichen.
Er musste hier weg, fort von ihrer vorgetäuschten Verletzlichkeit. Abrupt stand er auf und ließ die Serviette auf den Tisch fallen. „Du bist hier, weil mir keine andere Wahl blieb. Und auch, weil ich weiß, dass du keine Woche durchhalten wirst.“ Verächtlich ließ er seinen Blick über ihre abgetragene Kleidung wandern. „All diese Maskeraden und Täuschungsversuche … du brauchst mir wirklich nichts vorzuspielen.“
Er wandte sich um und ging zur Tür. Irgendwie fand Rosanne die Kraft, seine gemeinen Worte hinunterzuschlucken und aufzustehen. „Warte.“
Isandro blieb stehen.
„Wann … wann kann ich Zeit mit Zac verbringen?“
Sie hielt den Atem an. Wenn er sich weigerte …
„Du darfst ihn für zwei Stunden am Nachmittag sehen.“ Er machte ein paar Schritte auf sie zu. „Ich habe mir eine Woche von der Arbeit freigenommen, Rosanne. Ich bin hier und beobachte jeden deiner Schritte. Also, komm nicht auf dumme Ideen.“
Verwundert sah Rosanne ihm nach. Eine Woche Urlaub? Seit wann nahm sich Isandro mehr als einen Tag frei? Am ganzen Körper zitternd, ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl sinken. War Zac für diesen Gesinnungswechsel verantwortlich? Wahrscheinlich. Ihm gegenüber zeigte Isandro die Zärtlichkeit, die sie schon damals in seltenen Momenten an ihm beobachtet hatte.
Nur seine liebevolle Fürsorge hatte ihr das Vertrauen gegeben, ihren Sohn in seiner Obhut lassen zu können. Ganz gleich, was passierte, Isandro würde sein Kind immer lieben und sich aufopferungsvoll kümmern.
Zum allerersten Mal hatte sie diese Seite an ihm im Umgang mit den Kindern seiner Schwester gesehen. Sie hatte seine Geduld bewundert und seine unnachahmliche Fähigkeit, mit den Kleinen zu kommunizieren.
Rosanne erinnerte sich daran, wie sie Isandro kennengelernt hatte. Es war auf einer Veranstaltung in London gewesen. In dem Moment, als er den Saal betreten hatte, schien es, als senke sich für einen Augenblick Schweigen über die Besucher, bevor die Gespräche wieder aufgenommen wurden.
Alle Frauen versuchten, mit ihm zu flirten, während die anwesenden Männer zu unwichtigen Nebenfiguren degradiert wurden. Und er stand in der Mitte des Treibens, völlig unbeeindruckt von den Menschen, die ihm mit ihrem belanglosen Geplauder imponieren wollten.
Auch Rosanne konnte – wie alle übrigen
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