Julia Extra Band 0299
seiner imposanten Gestalt ein beinahe goldenes Antlitz. Rosanne blinzelte und schaute rasch zu dem Anwalt hinüber, der zu ihrer Rechten saß. Er war noch jung, Anfang vierzig vielleicht, und er lächelte. Diese schlichte Freundlichkeit erstaunte Rosanne so sehr, dass sie das Lächeln spontan erwiderte.
„Ricardo.“
Voller Ungeduld stieß Isandro den Namen aus. Rosanne errötete und senkte den Blick. Sie fühlte sich schuldig und wusste nicht, warum.
Isandro schaute erst sie an, dann seinen Anwalt. „Wenn Sie meiner Frau jetzt bitte die Papiere zeigen könnten.“
„Natürlich.“ Der Mann zog zwei Mappen aus seiner Aktentasche. Die eine reichte er seinem Klienten, die andere Rosanne.
Verfasst waren die Dokumente auf Spanisch, aber sie verstand auch so, um was es sich handelte. Die Scheidungspapiere.
„Es sind die ganz normale Standardvereinbarungen“, erklärte Isandro knapp. „An deinen Ansprüchen aus dem Ehevertrag ändert sich nichts. Nach sorgfältiger Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass eine Änderung wahrscheinlich mehr Ärger verursacht, als mir die Sache wert ist. Dabei könnte ich das mit Leichtigkeit durchsetzen – nach allem, was du dir geleistet hast …“
„Ich habe dir doch versichert, dass ich …“
Er machte eine unwirsche Handbewegung. „Lass es gut sein. Señor Sanchez ist mit den Umständen vertraut. Du brauchst uns nichts vorzuspielen.“
Der Anwalt sah sie nicht an. Die Situation war ihm augenscheinlich unangenehm.
Na schön. Isandro würde ihr niemals zuhören. Und wenn er darauf bestand, ihr Geld zu zahlen, dann würde sie es eben auf einem Treuhandkonto für Zac anlegen und vielleicht einen kleinen Teil …
„Wenn du also einfach auf der letzten Seite unterschreiben würdest.“
Ungläubig schaute sie ihn an. „Das soll wohl ein Witz sein.“
Isandro knallte die Mappe auf den Schreibtisch. „Wenn du glaubst, du könntest hier eine Show abziehen und mir einreden …“
Abrupt stand Rosanne auf. Sie durfte ihm nicht zeigen, wie sehr sie die Situation kränkte. Wie sehr es schmerzte, mit dem endgültigen Aus ihrer Ehe konfrontiert zu werden. „Unsinn. Aber hältst du mich wirklich für so dumm, dass du mir Papiere unter die Nase halten kannst, die ich dann brav unterschreibe, ohne sie überhaupt gelesen zu haben?“ Sie warf die Unterlagen auf den Tisch, als habe sie sich an ihnen verbrannt. Hoffentlich sah er nicht, wie ihre Hände zitterten! „Sie sind auf Spanisch verfasst. Das ist nicht meine Muttersprache.“
„Aber du sprichst fließend.“
„Ja, aber Rechtsangelegenheiten übersteigen meinen Wortschatz. Woher weiß ich, dass du nicht eine clevere Klausel eingefügt hast, mit der ich auf meine Rechte als Mutter verzichte?“
„Selbstverständlich habe ich das nicht getan! Das sind Scheidungspapiere, mehr nicht.“
„Ich werde nichts unterzeichnen, bis ich nicht mit meinen Anwalt gesprochen habe. Wenn er sagt, die Papiere sind in Ordnung, dann werde ich unterschreiben.“
Isandro fühlte sich ohnmächtig. Er wusste, dass ihre Bedenken berechtigt waren. Unter anderen Umständen, wenn sie eine andere Person gewesen wäre, hätte er ihr zu genau diesem Vorgehen geraten.
„Sie hat recht. Wir müssen eine Kopie nach London senden“, meldete sich der Anwalt.
„Und zwar gleich auf Englisch“, bekräftigte Rosanne. „Ich werde nicht für die zusätzlichen Kosten aufkommen, wenn mein Anwalt erst einen Übersetzer beauftragen muss.“
„Natürlich“, versicherte Ricardo respektvoll.
„Außerdem möchte ich Mr. Fairclough anrufen und ihn über die Neuigkeiten in Kenntnis setzen“, wandte sie sich wieder an Isandro.
Aus irgendeinem Grund hatte Isandro das Gefühl, als müsse er sich bei ihr entschuldigen. Er zwang das Bedürfnis nieder. Diese Frau hatte ein Verbrechen begangen, das nicht viele Menschen verziehen hätten. Mit welchem Recht spielte sie sich jetzt als Moralapostel auf? Er griff nach dem Telefon und reichte ihr den Hörer. Sie schaute ihn nur an.
„Privat.“ Ihr Tonfall war eisig.
Einen unendlich langen Moment hielt Isandro ihren Blick fest. Plötzlich war eine geradezu elektrische Spannung zwischen ihnen.
„Ich werde eine der Angestellten bitten, dir ein Telefon auf dein Zimmer zu bringen“, erklärte Isandro schließlich mit ausgesuchter Höflichkeit. „Dort wirst du ungestört sein.“
„Danke.“
Mit hoch erhobenem Kopf marschierte Rosanne aus dem Raum. Kaum war sie draußen, brach ihre mühsam bewahrte
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