Julia Extra Band 0299
weiblichen Wesen – den Blick nicht von ihm abwenden. Und doch war sie es, die seine Aufmerksamkeit erregte. So glaubte sie jedenfalls. Er kam direkt auf sie zu. Sie zitterte am ganzen Leib, als er vor ihr stehen blieb. Viel zu spät wurde ihr klar, dass er gar nicht zu ihr, sondern zu ihrem Vater wollte.
Nur sehr kurz nickte er ihr zu, dann schüttelte er die dargebotene Hand ihres Vaters. Die beiden zogen sich in ein abgeschiedenes Zimmer zurück, um ihren Deal in allen Einzelheiten zu besprechen.
Rosanne nippte an ihrer Kaffeetasse und dachte daran, wie der Abend weiter verlaufen war. Später, im Waschraum, hatte sie unfreiwillig mit anhören müssen, wie einige Frauen über sie herzogen.
„Hast du Rosanne Carmichaels Gesicht gesehen, als er auf sie zugegangen ist? Dem Mädchen gingen ja fast die Augen über. Ich meine, wirklich, wer will die schon haben? Fünfundzwanzig und immer noch Jungfrau, da gehe ich jede Wette ein. Und dann dieses Kleid! Also ehrlich! Würde mich nicht überraschen, wenn das ihrer Mutter gehört …“
Die Gehässigkeiten dauerten eine halbe Ewigkeit. Schließlich hatte Rosanne es nicht mehr ausgehalten, war aus der Kabine gehastet und mit einem Taxi nach Hause gefahren.
Mit einem Ruck kehrte sie ins Hier und Jetzt zurück. Sie umklammerte ihre Kaffeetasse so fest, dass sie Angst hatte, sie könne zerspringen. Rasch lockerte sie ihren Griff und atmete tief durch.
Seither war so viel passiert. Sie durfte sich nicht immer wieder von ihren Erinnerungen einholen lassen. Vielmehr musste sie sich auf die Gegenwart und Zac konzentrieren. Dann würde sie auch diese Episode überstehen.
4. KAPITEL
„Verzeihen Sie, Mrs. Salazar. Die Situation ist nur so ungewöhnlich.“
Innerlich zuckte Rosanne zusammen, weil María sie in ihrem gebrochen Englisch mit Mrs. Salazar angesprochen hatte. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und aktivierte ihre eingerosteten Spanischkenntnisse. „Bitte, María, nennen Sie mich Rosanne.“ Sie schaute die Nanny freundlich an. „Ich verstehe, dass es Ihnen seltsam vorkommen muss, dass ich so plötzlich aufgetaucht bin. Aber mein einziger Wunsch ist es, ein bisschen Zeit mit meinem Sohn zu verbringen.“
Unwillkürlich fragte sie sich, ob Isandro die Nanny angewiesen hatte, Zac nicht aus den Augen zu lassen, während sie mit ihm spielte. Zugetraut hätte sie es ihm.
Die Arme vor der Brust verschränkt, stand Isandro am Fenster und blickte hinaus in den Garten. Er beobachtete, wie Zac seine Mutter ganz selbstverständlich in sein Spiel einbezog – als wäre sie nie weg gewesen, als habe sie ihn nie im Stich gelassen und ihn nicht in dem Moment zurückgewiesen, in dem er sie am meisten gebraucht hatte.
Er musste sich zusammenreißen, damit er nicht hinauseilte und seinen Sohn vor ihr in Sicherheit brachte. Und doch … Zac sah glücklich aus. Und Rosanne wirkte weder gelangweilt noch verärgert. So ungern er es auch zugab, normalerweise verhielt Zac sich Fremden gegenüber äußerst schüchtern. Rosanne jedoch schien er seit ihrer ungeplanten Begegnung im Hotel ins Herz geschlossen zu haben.
Rosanne saß lächelnd im Gras und lauschte aufmerksam Zacs munterem Geplapper. Ihr Rock war ein wenig hochgerutscht und entblößte ein langes schlankes Bein. Abrupt wandte Isandro sich vom Fenster ab, ging zu seinem Schreibtisch hinüber und griff nach dem Telefon.
Am nächsten Tag, als Rosanne vom Spielen mit Zac zurück ins Haus kam und rasch in ihr Zimmer flüchten wollte, rief Isandro sie zurück.
„Könntest du einen Moment herkommen, bitte?“ Natürlich war das keine Bitte, sondern vielmehr ein Befehl.
Sie nickte kurz und betrat, ohne ihn anzusehen, sein Arbeitszimmer. Während sie an ihm vorbeiging, atmete sie seinen Duft ein. Ein paar Sekunden lang war ihr gesamtes Denken so auf diesen komplexen männlichen Geruch gerichtet, dass sie den zweiten Mann im Zimmer gar nicht bemerkte.
„Das ist mein Anwalt, Ricardo Sanchez“, stellte Isandro ihn vor.
Rosanne schüttelte die dargebotene Hand. „Señor Sanchez.“
Die Scheidungspapiere! schoss es ihr durch den Kopf. Das musste es sein! Vertraute Benommenheit bereitete sich in ihr aus. Zwar rechnete sie seit ihrem ersten Tag in Spanien mit diesem Moment, insgeheim jedoch hatte sie gehofft, dass Isandro ihr wenigstens die Zeit lassen würde, sich zu beweisen.
„Bitte, setz dich, Rosanne.“
Isandro ging um den Schreibtisch herum. Die Sonnenstrahlen, die durch die großen Fenster hineinfielen, verliehen
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