Julia Extra Band 0299
Fassung zusammen. Sie flüchtete die Treppe hinauf in ihr Zimmer und fürchtete dabei die ganze Zeit, Isandro könne sie noch einmal zurückrufen. Natürlich war ihr klar, dass er niemals etwas so Hinterhältiges tun und eine heimliche Klausel in die Papiere einfügen würde, mit der sie ihre Rechte auf Zac abtrat. Das entsprach einfach nicht seinem Stil.
Dennoch – es war richtig gewesen, sich endlich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Sie wäre eine Närrin, wenn sie ihm weiter erlaubte, sie so herumzuschubsen.
Kaum war Rosanne in ihrem Zimmer angelangt, öffnete sie die Verandatür und schaute in den Innenhof hinunter. Die Schönheit und die Stille des Ortes beruhigten sie. Und ließen sie gleichzeitig den Schmerz in ihrer Seele noch deutlicher spüren.
Seit ihr klar war, dass Isandro die Scheidung auf jeden Fall einreichen würde, hatte der Schmerz sich dort eingenistet. Es war, als wolle Isandro sie um jeden Preis loswerden, so als wäre sie nur ein lästiges Insekt für ihn. Ein schreckliches Gefühl, so zu empfinden …
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Überlegungen. Die junge Frau, die sie gestern Morgen geweckt hatte, reichte ihr ein Telefon.
Sofort wählte Rosanne David Faircloughs Nummer und erklärte ihm, was passiert war.
Als sie schließlich aufgelegt hatte, atmete sie tief durch. Das war’s. Der Anfang vom Ende. Der Anfang vom Ende ihrer Zweckehe. Eine Ehe, die niemals hätte vollzogen werden dürfen, aus der niemals ein Baby hätte hervorgehen sollen.
Dass es so gekommen war, hatte Rosanne nie bereut. Nicht einmal, als ihr die ganze Situation mehr Schmerz und Trauer bereitet hatte, als sie glaubte, aushalten zu können. Und jetzt musste sie es eben noch ein bisschen länger aushalten. Sie würde es schaffen, und dann würde sie ihr Leben neu einrichten und sich endlich um ihren Sohn kümmern.
Den Rest der Woche ging Rosanne ihrem Mann so weit wie möglich aus dem Weg. Sie sah ihn nur beim Frühstück und beim Abendessen. Die übrige Zeit schloss er sich in seinem Arbeitszimmer ein.
Rosanne genoss die zwei Stunden, die sie jeden Tag mit ihrem Sohn verbringen durfte. Allmählich entspannte sich auch María in ihrer Gegenwart. Die Nanny schien die täglichen Spielstunden zwischen Mutter und Sohn als schöne Möglichkeit zu sehen, einmal eine Pause zu machen, ein Buch zu lesen oder Ähnliches zu tun.
Heute stieß Zac einen weinerlichen Schrei aus, als María ihn für sein nachmittägliches Nickerchen ins Haus trug. Es war offensichtlich, dass er sein Spiel mit Rosanne nicht unterbrechen wollte.
María lächelte mitfühlend. „Er hat Sie schon sehr ins Herz geschlossen. Aber ich fürchte, Señor Salazars Anweisungen sind sehr strikt.“
„María, Sie brauchen sich doch nicht zu rechtfertigen.“
Die Frau errötete, während Zac weiter quengelte und sich in ihren Armen wand. „Ich weiß, aber Sie scheinen so … nett zu sein. Und Sie sind seine …“
„Was ist hier los?“
Gleichzeitig wirbelten beide Frauen herum. Isandro eilte mit großen Schritten auf sie zu. Er nahm María Zac aus den Armen und betrachtete kritisch sein tränenübertrömtes Gesicht.
„Er ist nur übermüdet, Señor Salazar. Es ist Zeit für sein Nickerchen, aber es hat ihm so großen Spaß gemacht, mit Ros…“, sie korrigierte sich, „mit Mrs. Salazar zu spielen.“
Isandro schaute Rosanne misstrauisch an.
„Ich … ich gehe ins Haus“, erklärte sie schnell. „María hat recht, der Kleine ist bloß müde.“
Bevor Isandro antworten konnte, war sie schon ins Haus gehuscht. Binnen Sekunden hörte sie jedoch seine schweren Schritte hinter sich. Instinktiv wich sie vor ihm zurück.
„Was hast du mit meinem Sohn gemacht?“, fuhr er sie an.
Sie schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich habe nur mit ihm gespielt.“
„Er hat geweint! Du hast ihn zum Weinen gebracht!“
„Er ist müde, das ist alles. Kinder in seinem Altern sind schnell vom Spielen übermüdet und werden quengelig.“
„Seit wann weißt du so viel über Kinder?“
„Ich bin eine Frau. Ich habe als Au-pair gearbeitet. Und abgesehen davon ist er mein Sohn, und ich …“
Sie verstummte. Beinahe hätte sie gesagt: Und ich liebe ihn . Aber das hätte wahrscheinlich eine ganze Flut von Beschimpfungen nach sich gezogen.
„Er ist mein Sohn, Isandro“, wiederholte sie stattdessen. „Und du wirst dich daran gewöhnen müssen. Denn ich werde hier nicht weggehen. Ich werde den Rest seines Lebens in seiner Nähe sein.“
Isandro
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