Julia Extra Band 0299
dieser Treffen hatte Isandro sehr deutlich zu verstehen gegeben, was ihm ihre Ehe bedeutete. Seine Worte hatte sie bis heute nicht vergessen.
„Ich heirate dich, um deinen Vater vor dem Bankrott zu be wahren. Im Gegenzug erhalte ich seinen Posten als Generaldi rektor seiner Bank. Du heiratest mich, erfüllst damit die Be dingungen, die deine verstorbene Mutter in ihrem Testament festgelegt hat, und bekommst dein Erbe. Wir führen also keine echte Ehe. Nehme ich mir eine Geliebte, werde ich natürlich äußerste Diskretion walten lassen. Um dasselbe bitte ich dich. In einem Jahr können wir über eine Scheidung sprechen. Ein Jahr mit dir an meiner Seite sollte ausreichen, um meine Stel lung zu festigen.“
Abrupt kehrte Rosanne in die Gegenwart zurück. Die Nachmittagshitze machte sie ganz benommen. Sie schwankte. Warum hatte Isandro eigentlich nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass zwischen ihnen echte Gefühle entstehen könnten?
Unsanft griff er jetzt nach ihrem Arm und schob sie die Treppenstufen hinauf in ihr Zimmer. „Du musst aus der Sonne gehen. Du bist die Hitze nicht gewöhnt.“
Rosanne entzog sich seinem Griff. In dem kühlen Zimmer ging es ihr gleich viel besser.
„Wie dumm von mir“, meinte er mit einem kurzen Auflachen. „Woher soll ich denn wissen, woran du gewöhnt bist? Schließlich hättest du die letzten zwei Jahre überall sein können.“
Er ging auf eine Tür zu, die Rosanne bislang nicht aufgefallen war, weil sie in denselben Farbtönen gestrichen war wie der Rest des Raumes. Bestimmt führte die Tür direkt in sein Schlafzimmer.
Als habe er ihre Gedanken gelesen, umspielte ein spöttisches Lächeln seine Mundwinkel. „Niemand erwartet, dass wir vorgeben, ein glücklich verheiratetes Paar zu sein. Du kannst also beruhigt sein, Rosanne. Ich werde nicht nachts an deine Tür klopfen.“
Nein, dachte sie und verspürte einen alarmierend heftigen Stich in der Herzgegend. Zweifellos verfügte Isandro über eine ganze Reihe von Gespielinnen, die ihm Gesellschaft leisteten.
Erleichtert stieß sie den angehaltenen Atem aus, als er die Tür hinter sich schloss. Dann setzte sie sich erschöpft auf die Bettkante und presste eine Hand gegen ihre Brust, als könne sie so ihr rasendes Herz beruhigen.
In ihrer Hochzeitsnacht war er in ihr Zimmer gekommen und hatte sie angeschaut, als sehe er sie zum ersten Mal. Immer noch konnte sie das bebende Verlangen spüren, das damals in ihr aufgestiegen war.
Natürlich – da gab sie sich keiner Illusion hin – war er ursprünglich nur gekommen, um ihr eine gute Nacht zu wünschen. Doch dann war es, als habe er das Flehen ihres Körpers verstanden. Er schloss sie in seine Arme … und küsste sie … Die Intensität der Leidenschaft, die er in ihr entfachte, ängstigte Rosanne bis zum heutigen Tag.
Sie schüttelte den Kopf, um die unheimlichen Bilder zu vertreiben. Mit einem Ruck stand sie auf und begann, ihren Koffer auszupacken. Die stupide Arbeit half tatsächlich, die Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
Anschließend nahm sie eine heiße Dusche, schlüpfte in den bereitliegenden flauschigen Bademantel und ließ sich auf das weiche Bett sinken. Erst dann ließ sie die dunklen Wogen der Vergangenheit über sich zusammenschlagen.
Sie war wieder bei ihrem Sohn. Das war alles, was zählte. Mehr durfte sie nicht verlangen.
Wieder befand sie sich in diesem Zimmer. Dem weißen Zimmer. Flügeltüren rechts und links. Sie wusste, dass sie hier rausmusste. Wenn sie jetzt nicht ging, würde sie diesen Ort niemals verlassen, niemals ihr Baby wiedersehen. Panik stieg in ihr auf, machte ihre Bewegungen unbeholfen. Aus irgendeinem Grund schien sie nicht aus dem Bett aufstehen zu können.
Dann hörte sie Schritte. Leute kamen, um sie einzuschließen. Sie versuchte zu schreien, aber kein Laut drang über ihre Lippen. Die Bettlaken lasteten bleischwer auf ihrem Körper, hielten sie gefangen. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. Plötzlich wurde sie geschüttelt. Sie erstarrte vor namenloser Angst …
Zwei Dinge wurden Rosanne gleichzeitig bewusst. Erstens: Sie hatte wieder diesen Traum, wenn auch in einer etwas abgewandelten Version. Und zweitens: Sie wurde geschüttelt. Sie riss die Augen auf und blickte in ein vertrautes Gesicht. Isandro.
Sie befand sich in Spanien, nicht in dem furchtbaren Zimmer.
„Was, zur Hölle, ist denn los mit dir, Rosanne? Du hast so laut geschrien, dass fast das ganze Haus aufgewacht ist. Zac schläft in dem
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