Julia Extra Band 0299
perfekt war … oder wenigstens so perfekt wie möglich. Wenn man in einer der Kategorien einen Preis gewann, war das natürlich äußerst werbewirksam und erhöhte das Prestige, und das bedeutete größeres Interesse und steigende Verkaufszahlen.
Schon als Kind hatte Ilana leidenschaftlich gern Puppenkleider genäht – anfangs mit Lilianas Hilfe und schließlich allein nach eigenen Entwürfen. Später studierte sie Modedesign, und nach ihrem Abschluss hatte sie ein paar Lehrjahre in Paris, Mailand und London verbracht, bevor sie nach Sydney zurückgekehrt war, um ihr eigenes Atelier zu eröffnen. Nicht lange danach gründete sie das inzwischen sehr renommierte Modelabel Arabelle .
Während Ilana Talent und praktische Erfahrung in Bezug auf Schnitttechnik, Entwurf und Ausführung mitbrachte, machte der Geschäftssinn ihrer alten Freundin Micki Taylor ihre Geschäftspartnerschaft rund. Micki hatte nämlich ein untrügliches Gespür für Accessoires, den passenden Rahmen. Sie verfügte über das Geschick, glamouröse Modeschauen zusammenzustellen, bei der die Konkurrenz nicht selten vor Neid erblasste.
Ilana hingegen konnte Visionen Wirklichkeit werden lassen. Oft brauchte sie einen bestimmten Stoff nur zu sehen, um bereits das fertige Kleidungsstück vor Augen zu haben. Sie verstand es, die drei Komponenten Farbe, Stoff und Stil zum Leben zu erwecken – eine Gabe, die sie zu schätzen wusste.
Die Woche vor der Preisverleihung war extrem stressig. An manchen Tagen verließ Ilana das Atelier nur zum Essen und zum Schlafen. Deshalb war es die absolute Ausnahme, dass sie an diesem Dienstag ihr Appartement bereits am frühen Abend betrat.
Der Gedanke, sich bei einem langen Bad zu entspannen und anschließend in aller Ruhe etwas zu essen, war verführerisch, aber leider unrealistisch. Ihre Zeit reichte gerade noch aus, um kurz zu duschen und in ein Cocktailkleid aus milchkaffeebrauner Spitze zu schlüpfen. Anschließend legte sie eilig etwas Make-up auf und steckte sich das Haar im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammen, bevor sie sich auf den Weg in den Villenvorort Double Bay machte. Dort fand in den frisch erweiterten Ausstellungsräumen eines bekannten Kunstsammlers eine Vernissage statt, und Ilana hatte ihrer Mutter versprochen zu kommen. Es war eine prestigeträchtige Angelegenheit, bei der nur geladene Gäste zugelassen waren.
Als sie an ihrem Ziel anlangte, waren die Parkplätze bereits alle besetzt, sodass sie erst zwei Runden um den Block drehen musste, bevor sie ihren Wagen abstellen konnte.
Der Eingang zu der Galerie wurde von zwei Sicherheitsleuten bewacht, bei denen Ilana sich erst ausweisen musste, bevor sie Einlass fand.
„Darling.“ Der älteste Sohn der Familie nahm sie in Empfang und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Herzlich willkommen.“
„Jean-Paul.“ In der Familie hießen alle männlichen Mitglieder Jean. Jean-Marc war der Patriarch und ein berühmter Kunstsammler, während Jean-Pauls Bruder auf den Namen Jean-Pierre getauft war. Die Gäste standen angeregt plaudernd in kleinen Grüppchen beisammen, tranken Champagner und aßen Kanapees, die ihnen von livrierten Kellnern gereicht wurden.
Ilana hätte gern ein Glas Champagner getrunken, doch da sie seit dem Frühstück nichts gegessen hatte, entschied sie sich für Orangensaft und nahm sich einen kleinen Teller mit Häppchen, die sie mit großem Appetit verspeiste.
„Ach, da bist du ja, Liebes.“ Unbemerkt war Liliana neben ihr aufgetaucht und küsste sie zur Begrüßung auf die Wange.
„Das ist ja wirklich alles sehr schön geworden“, bemerkte Ilana und schaute sich anerkennend um.
„Ja, das finde ich auch.“ Liliana deutete auf die mit Glaspaneelen verkleideten Wände und die gut durchdachte Anordnung der Bilder. „Ungemein anregend.“
Ilana ließ ihren Blick über die Gäste schweifen. „Und alle sind gekommen.“
„Wer würde auch schon Jean-Marcs Einladung ausschlagen?“
Der exzentrische Kunstsammler und Galerist war in der Kunstszene schon zu Lebzeiten eine Legende. Neben einem scharfen Verstand besaß er einen fast untrüglichen Instinkt für den zu erwartenden Erfolg oder Misserfolg einer künstlerischen Arbeit. Er förderte mit Hingabe junge Künstler und hatte im Lauf der Jahre vielen von ihnen zum Durchbruch verholfen, sodass die Einweihung der neuen Räumlichkeiten ein guter Grund zum Feiern war.
„Komm mit, ich zeig dir was.“ Liliana zog ihre Tochter mit sich.
„Du bist wieder mal
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