Julia Extra Band 0300
durchs Haar streichen?
Ach was! Wahrscheinlich würde er nach den Wachen draußen vor der Tür rufen. Obwohl es in der Schwimmhalle nicht so ausgesehen hatte, als wollte er gerettet werden …
Eigentlich war ihr die Kehle wie zugeschnürt, doch schließlich presste sie hervor: „Mir geht es gut.“
Tariq schien nicht überzeugt. Forschend blickte er ihr ins Gesicht. Aber er nahm die Hand von ihrer Schulter, wobei Beatrice nicht wusste, ob sie es gut oder schlecht finden sollte.
Sie gestattete sich noch einen Moment, um sich zu sammeln, bevor sie zu Khalid ging. Dort angekommen, nahm sie das Haar im Nacken zusammen, beugte sich über das Bett und gab Khalid einen zarten Kuss auf die Wange.
Tariq biss die Zähne zusammen, bevor er sich abwandte und davonging.
Es war immer verwerflich, eifersüchtig auf seine Geschwister zu sein, aber wenn sie mit dem Tode rangen … Tariq schüttelte verächtlich den Kopf. Er hatte seinem Bruder immer Pflichtbewusstsein eingeimpft, und nun hatte er selbst ehrlos gehandelt, nur der Begierde wegen. Jedes Mal, wenn er Beatrice ansah, floss das Verlangen heiß durch seine Adern. Nicht einmal in der Pubertät hatte er so wenig Kontrolle über sich besessen.
Beatrice saß stundenlang allein an Khalids Bett. Nur hin und wieder kam ein Arzt oder eine Schwester herein. Sie wünschte so sehr, dass Khalid die Augen öffnen möge, aber er tat es nicht. Stattdessen fielen ihre zu.
Es war schon nach Mitternacht, als Tariq mit Wüstensand an der Kleidung ins Krankenhaus zurückkehrte. Ein Arzt kam gerade aus Khalids Zimmer, blieb stehen und neigte ehrerbietig den Kopf. Tariq tat die Höflichkeitsgeste mit einer ungeduldigen Handbewegung ab.
„Wie geht es meinem Bruder?“
„Wir hätten Euer Gnaden kontaktiert, hätte sich etwas an seinem Zustand geändert.“
„Kann man denn gar nichts tun?“ Es fiel Tariq schwer, seinen Unmut zu verbergen.
„Nein“, der Arzt lächelte entschuldigend, „nur warten.“
„Wie bitte? Da haben Sie hier modernstes medizinisches Gerät, und das Einzige, was Sie tun können, ist, abzuwarten?“, brach es nun aus Tariq heraus, und der Arzt wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Es tut mir leid“, entschuldigte sich Tariq sofort. Beatrice hatte ihn pedantisch genannt und gesagt, dass er immer alles unter Kontrolle haben musste. Vielleicht stimmte das ja. Auf jeden Fall machte es ihn verrückt, so hilflos zu sein. „Ich werde jetzt am Bett meines Bruders Wache halten.“
„Natürlich, aber …“
„Aber was?“ Tariq blieb stehen, die Hand auf der Klinke.
„Die junge Dame … sie ist immer noch da und inzwischen eingeschlafen.“
„Wie bitte?“ Tariq war jetzt immerhin sechs Stunden weggewesen und hatte erwartet, dass Beatrice längst in den Palast zurückgekehrt sei.
„Sie ist nicht von seiner Seite gewichen. Was für eine Hingabe … Was für eine schöne Frau!“ Mit diesen Worten ging der Arzt, und Tariq betrat das Krankenzimmer.
Khalid sah noch genauso aus wie zuvor – vielleicht sogar etwas schlimmer. Sein rechtes Auge war zugeschwollen, am rechten Arm hatte man mehrere Infusionen gelegt, und der linke lag unverändert auf der weißen Bettdecke. Die Hand wies zahlreiche Schürfwunden auf, und Beatrice hielt mit ihrer die unverletzten Finger umschlungen. Sie war tatsächlich eingeschlafen. Den Sessel hatte sie sich ans Bett gezogen und lag jetzt mit dem Oberkörper auf den Kissen. Tief gerührt betrachtete Tariq ihr Gesicht und hatte dabei das Gefühl, jemand griffe nach seinem Herzen. Sie sah so zart und rein aus. Unwillkürlich hatte er den Eindruck, sie vor den Unbilden der Welt beschützen zu müssen.
Beatrice begann, im Schlaf zu murmeln, und dann entrang sich ihren Lippen ein kleiner Schrei. Tariq strich ihr beruhigend über den Rücken. „Schh, alles in Ordnung.“ Wie zerbrechlich sie sich anfühlte!
Den Kopf immer noch auf den Kissen, öffnete Beatrice die Augen und sah Tariq verwirrt an. Sie schien ihn gar nicht zu erkennen. Allmählich dämmerte ihr dann wohl, wo sie war. „Oh, ich bin eingeschlafen. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Es tut mir leid …“
„Ich hatte doch jemanden geschickt, der dich nach Hause bringen sollte.“
„Ja, aber ich habe hier kein Zuhause, und außerdem wollte ich bei Khalid bleiben.“ Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und fühlte einige Schlaffältchen auf ihrer Wange. Natürlich war es in einem Moment wie diesem höchst unangebracht, sich Gedanken um sein
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