Julia Extra Band 0300
Fall dem Risiko vorzuziehen, Tariq noch einmal zu begegnen und dann mit Gott weiß was herauszuplatzen. So brauchte sie sich nur bis heute Abend bedeckt zu halten.
Sie überlegte gerade, wie sie am besten die Zeit bis dahin herumbrachte, als Azil aufgeregt erschien, um ihr mitzuteilen, dass der König sie zu sehen wünschte. Die junge Frau verstummte, sobald sie Beatrices halb gepackte Koffer sah, und rief bestürzt aus: „Sie reisen doch nicht ab, Miss?“
„Doch, ich gehe nach Hause.“ Nur dass sie kein Zuhause hatte. Tränen des Selbstmitleids schossen Beatrice in die Augen, bevor sie sich daran erinnerte, dass sie es ja genau so haben wollte. „Ich treffe gerne neue Menschen und bin nur für mich allein verantwortlich.“
Als Azil sie daraufhin entgeistert ansah, überlegte Beatrice, wen sie damit eigentlich überzeugen wollte. „Bitte Sayed herein, Azil, ich glaube, du hast da etwas falsch verstanden.“ Schließlich war Beatrice lang genug im Palast gewesen, um zu wissen, dass der König nicht einfach jeden x-Beliebigen zu sich bat. Selbst mit seinen Beratern kommunizierte er nur über Tariq, und bis Beatrice ihn im Krankenhaus gesehen hatte, hatte sie geglaubt, er sei ans Bett gefesselt.
Sayed kam ohne anzuklopfen herein, und man sah ihm an, dass er Beatrices Entschluss nicht guthieß. „Weiß Prinz Tariq, dass Sie Ihre Abreise planen?“
„Wieso sollte ich ihm davon erzählen? Das geht ihn nichts an“, antwortete Beatrice mit erhobenem Kopf.
„Möglicherweise ist er mit Ihrem Entschluss nicht einverstanden.“
Das wäre ja nichts Neues!, dachte Beatrice und erklärte dann mit niedergeschlagenen Augen: „Euer Prinz denkt, er hätte überall ein Wörtchen mitzureden … Azil hat mir gesagt, der König wolle mich sehen. Aber ich schätze mal, da hat sie etwas falsch verstanden.“
„Seine Hoheit erwartet Sie, Miss Devlin.“
Entsetzt sah Beatrice ihn an. „Das ist doch nicht Ihr Ernst?“ Als sie Sayeds Gesichtsausdruck sah, stöhnte sie laut auf. „Weshalb will er mich denn sehen?“
Beinahe wäre Sayed bei der Frage ein Lächeln über sein faltenreiches Gesicht gehuscht. „Er hat mich nicht eingeweiht.“
„Und selbst wenn er es getan hätte, würden Sie nichts verraten … Ich weiß.“ Beatrice sah an sich herunter. „Ich muss mich umziehen.“
Sayed räusperte sich und erklärte dann taktvoll: „Ich glaube, der König erwartet Sie umgehend.“
„Sie meinen, das war ein Wunsch, den man nicht abschlagen kann?“ Beatrice seufzte. „Nun, wahrscheinlich kann ich die Sache auch gleich hinter mich bringen“, stieß sie hervor und klang wie eine Verurteilte.
Die privaten Gemächer des Königs befanden sich im ältesten Teil des Palastes, und es dauerte eine gute Viertelstunde, bis sie dort ankamen. Beatrice konnte sich nur eine einzige Sache vorstellen, die ihr der König sagen wollte: Hände weg von meinem Sohn! Aber sie selbst hatte ihm so einiges mitzuteilen.
Der kleine Innenhof, in den man sie führte, war wesentlich weniger einschüchternd als der Thronsaal, mit dem sie gerechnet hatte. Es waren auch keine Bediensteten zugegen, nur der König, der auf einer Sandsteinbank saß. Er trug weiße, wallende Gewänder und keinen Turban, sodass man sein silberfarbenes langes Haar sah.
Er las ein Buch, das er zur Seite legte, als Beatrice auf ihn zuging. „Nehmen Sie Platz, Miss Devlin. Sie sind jetzt schon eine ganze Weile bei uns, und wir hatten noch nicht die Gelegenheit, einander kennenzulernen. Aber ich habe schon viel von Ihren … Taten gehört.“
Ob Tariq ihm davon berichtet hatte?, überlegte Beatrice und blieb stehen.
„Tariq hat mit mir nicht über Sie gesprochen.“
Offenbar konnte der König Gedanken lesen, oder er wurde nach wie vor gut informiert. „Hat hier jeder seine eigenen Spione?“, platzte Beatrice heraus.
Der König schien nicht beleidigt. „Ich brauche die Ohren und Augen anderer, da ich seit einiger Zeit meine Gemächer nicht mehr verlasse.“
Beatrice wollte gar nicht wissen, was ihm diese Ohren und Augen über sie mitgeteilt hatten.
„Mein Sohn, Tariq …“
„Ich weiß, dass ich nicht sehr diplomatisch bin“, fiel Beatrice ihm ins Wort. „Und es tut mir leid, dass ich Sie unterbreche, aber ich will nichts von Tariq hören. Tariq, Tariq, Tariq, immer nur Tariq. Sie haben doch zwei Söhne, und außerdem sind Sie selbst noch sehr gut beieinander …“
Der König ließ sie weiterreden, vielleicht auch, weil noch niemand je die Stirn
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