Julia Extra Band 0301
Sie hatte Poppy und sich selbst verraten. Diese Sehnsucht, von einem Mann geliebt zu werden, der sie für eine Hure hielt, war erbärmlich. Sie hatte ihre einzige Chance, fester Bestandteil in Poppys Leben zu sein, an einen Mann vergeudet, der keine wahren Gefühle kannte. Und Lucien hatte nur bewiesen, dass er jederzeit Sex haben konnte, wann, wo und mit wem er wollte.
Das Rauschen der Dusche war nicht mehr zu hören. Hastig rappelte Tara sich auf, um ihre Kleider zusammenzusuchen. Lucien kam aus dem Bad und rieb sich mit einem Handtuch das nasse Haar.
„Du solltest dich auch frisch machen“, sagte er knapp,
Sein Hemd war nicht zugeknöpft, der Gürtel seiner Hose stand noch offen. Tara wandte den Blick ab. Sie sehnte sich noch immer nach ihm, und ja, würde Lucien sie jetzt wollen, gäbe sie sich ihm erneut hin. Doch so murmelte sie nur etwas Unverständliches und hastete an ihm vorbei ins Bad, ihre Sachen fest an sich gepresst.
Lucien sah sich im Zimmer um und nahm den Duft wahr, den Tara hinter sich gelassen hatte. Viel sanfter und dezenter als das billige Parfüm, das sie das letzte Mal getragen hatte …
Babypuder. Vorhin war ihm das gar nicht aufgefallen, aber da war er auch von Wut, Misstrauen und Verachtung zerfressen gewesen.
Und nun?
Nun tobte ein anderes Gefühl in ihm. Falls Tara beabsichtigt hatte, ihn mit ihrer neuen Seriosität zu beeindrucken, dann hatte sie dieses Vorhaben soeben selbst zunichte gemacht.
Er stellte sich ans Fenster und knöpfte sein Hemd zu. Er war ungeduldig, wollte endlich zu seiner Nichte und auch das Kindermädchen kennenlernen, doch er würde auf Tara warten, damit sie ihn vorstellen konnte. Er hatte keine Eile. Eigentlich fühlte er sich jetzt sogar recht entspannt. Abgesehen von dem Offensichtlichen, hatte Tara ihm genug Gründe geliefert, um das Sorgerecht für das Kind zu bekommen.
Fast verspürte er so etwas wie Bedauern.
Als Tara ins Zimmer zurückkam, drehte er sich zu ihr um. Bemerkenswert, dass diese Anziehung zwischen ihnen noch immer existierte.
„Setz dich.“
Sie zog eine Augenbraue in die Höhe, wirkte sowohl verletzt wie auch kampfbereit. Ihre Augen waren wirklich wunderschön, türkisblau. So türkisblau wie der Himmel über Frankreich an einem sonnigen Tag. Vor allem war sie gefasster, als man hätte vermuten sollen. Vor Minuten noch hatte sie in seinen Armen vor Lust gestöhnt. Plötzlich fiel ihm ein, was es an ihr war, das er bisher nicht hatte definieren können – sie besaß Präsenz und Würde. Er wägte diese beiden Eigenschaften gegen Freyas Beschreibung ihrer Schwester ab. Tara war auch nicht Guys üblicher bevorzugter Typ. Entweder sie war wesentlich cleverer als ihre verstorbene Schwester, oder … sie sagte die Wahrheit.
Er beobachtete, wie sie sich in einen der eleganten Ledersessel sinken ließ, musterte ihr Gesicht und versuchte zu ergründen, warum er von diesem eher gewöhnlichen Gesicht so angezogen wurde. Ihre Haut war hell wie feinstes Porzellan, über den Nasenrücken zog sich eine feine Linie winziger Sommersprossen, um ihre vollen Lippen lag ein eindeutig optimistischer Zug. Sicherlich war eine Ähnlichkeit mit Freya vorhanden, aber Tara war lange nicht so hübsch. Aber irgendetwas zog ihn dennoch magisch an …
Waren es ihre Augen? Sie zeigten keinerlei Anzeichen des Unsteten, so wie bei der Schwester, und verrieten eine nachdenkliche Tiefe, die Freya nie besessen hatte. Was nicht hieß, dass er Tara mehr trauen konnte als anderen Frauen. Doch wenn er auf ihren Mund sah, dann konnte er nur daran denken, dass diese vollen Lippen, unter den richtigen Umständen, mehr versprachen als nur täuschende Worte. Er war noch nicht bereit, sie gehen zu lassen.
„Kann ich dir etwas zu trinken anbieten, Lucien?“
Lucien? Ihre Courage erstaunte ihn. „Nein, danke. In ein paar Minuten haben wir eine Verabredung.“
„So?“ Neugierig sah sie ihn an, erst erstaunt, dann hoffnungsvoll.
Wahrscheinlich glaubte sie, er würde sie ausführen. Er drehte ihr den Rücken zu. Wenn er ihr so nahe war, dann flammte auch sein Begehren wieder auf. Sein Appetit nach ihr war eher aufgelebt denn gesättigt. Er wusste nicht zu sagen, wann eine Frau das letzte Mal eine solche Wirkung auf ihn gehabt hätte.
„Ich würde jetzt gern meine Nichte sehen.“ Die Worte waren brüsk gesprochen, um sich von dem wachsenden Verlangen abzulenken.
Wortlos erhob Tara sich aus dem Sessel und öffnete leise die Tür zum Nebenzimmer. Sie legte den Finger an
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