Julia Extra Band 0301
bündig.
„Mein Benehmen?“, wiederholte Tyler ungläubig. „Ich bin erst seit zwei Minuten im Haus und habe – angeblich – schon etwas falsch gemacht?“
„Ja. Erstens waren Sie nicht da, um mich in Empfang zu nehmen. Ich warte schon seit vier Stunden darauf, dass Sie sich nach Hause bequemen, und da wollen Sie mich einfach ignorieren, um Ihre Anrufe zu erledigen? Was glauben Sie, würde Ihre richtige Freundin jetzt denken?“
„Dass ich Wichtigeres zu tun habe“, erwiderte er gereizt. „Was ja auch stimmt.“
Mary ging auf diesen deutlichen Hinweis nicht ein. „Sie würde Sie eher für unhöflich und gefühllos halten – und weshalb sollte sie so einen Mann heiraten wollen?“
Tyler fiel es schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren. „Es geht nur um fünf Minuten, Mary.“
„Die könnten für Ihre Beziehung den Todesstoß bedeuten, Tyler!“
„Tragen Sie nicht ein bisschen zu dick auf?“
„Wenn Sie tatsächlich von mir lernen möchten, wie man eine dauerhafte Partnerschaft aufbaut, sollten Sie meine Ratschläge befolgen“, konterte sie, nun ebenfalls verärgert, und stemmte die Hände in die Hüften. „Stellen Sie sich vor, Sie wären in mich verliebt.“
Tyler stöhnte ungeduldig, nahm sie nun aber genauer in Augenschein. Sie sah irgendwie anders aus. Das Haar rahmte duftig ihr Gesicht, sie trug etwas Lockeres, das ihrer Figur schmeichelte und viel von ihrem schönen Dekolleté zeigte. Im Ausschnitt blitzten Spitzen hervor, und unvermittelt hatte er eine Vision von Mary in sexy Dessous und Seidenstrümpfen …
Er schluckte trocken. „Okay, ich stelle es mir vor.“
Und je näher er sie betrachtete, desto leichter konnte er sich vorstellen … na ja, nicht tatsächlich verliebt in sie zu sein, aber … sie zu küssen, ihr das Top von den Schultern zu streifen und zu entdecken, was sich unter der Spitze verbarg.
„Jetzt versuchen Sie, sich auszumalen, was ich empfinde“, forderte Mary ihn auf. „Wir sind noch nicht lange zusammen und begehren uns leidenschaftlich. Ich habe Sie seit gestern nicht gesehen und jede Minute gezählt, bis wir uns wiedersehen.“
Sie konnte sich die Situation so gut vorstellen, dass sie sich direkt selbst leidtat.
„Da komme ich zum ersten Mal hier in das Haus, und niemand ist da. Und das soll Liebe sein?“, fragte sie mit bebender Stimme.
Tyler wurde immer verwirrter, vor allem, weil er sich das leidenschaftliche Verlangen nach ihr immer besser vorstellen konnte!
„Ich liebe Sie doch nicht!“, meinte er abwehrend.
„Es geht ja auch nicht um mich! Wir tun doch nur so, damit Sie üben können, wie Sie sich einer Frau gegenüber verhalten, an der Ihnen wirklich etwas liegt. Also, noch einmal: Ich bin Ihre Traumfrau, und Sie haben mir gerade das Gefühl gegeben, Ihre Arbeit sei Ihnen wichtiger als ich. Was tun Sie, um mich zu besänftigen? Ein kleiner Tipp“, fügte sie sarkastisch hinzu, „ins Arbeitszimmer verschwinden ist nicht die richtige Antwort.“
Er seufzte. „Ich muss Ihnen, nein ihr, etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, wenn ich nach Hause komme.“
Wieder stellte er sich, ganz unbeabsichtigt, vor, wie es wäre, wenn Mary ihn mit offenen Armen empfangen würde und er sie zuerst leidenschaftlich küsste und dann mit ihr ins Bett ging, wo er sich in ihrer Wärme förmlich verlieren …
„Also: das Ganze noch einmal!“
„Wie bitte? Was soll ich noch mal tun?“, fragte er verwirrt.
„Hereinkommen und mich begrüßen – aber so, als wäre ich die Frau, die Sie heiraten wollen“, erklärte Mary geduldig. „Sehen Sie es als erste Lektion an.“
„Ich dachte, das sei der Kompromiss gewesen“, hielt er dagegen.
„Na schön, dann ist es eben die zweite Lektion.“ Sie seufzte entnervt. „Und diesmal gibt es einen praktischen Test. Sie müssen Ihrer Freundin beweisen, wie sehr Sie sich freuen, sie zu sehen.“
„Und was soll ich sagen?“
„Überzeugen Sie mich – in Vertretung Ihrer noch nicht vorhandenen Partnerin –, dass Sie mich lieben. Eine Entschuldigung ist als Einstieg übrigens auch immer ein guter Schachzug.“
Folgsam ging Tyler nochmals nach draußen und atmete tief die kühle Herbstluft, die nach feuchtem Laub und Holzrauch duftete. Dass die Nachhilfe in Liebe so lebensnah ausfallen würde, hatte er nicht erwartet. Nach einigen Atemzügen hatte er sich und seine Fantasie wieder unter Kontrolle.
Er brauchte das Ganze nur als Herausforderung zu betrachten. Ja, er würde jetzt reingehen und Mary zeigen,
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