Julia Extra Band 0302
Miene veränderte sich nicht. „Deine Schwester“, begann er, „konnte sich zumindest einer Tugend rühmen. Sie hat nie versucht, ihre wahren Absichten zu verbergen. Aber du bist eine Heuchlerin, Ann, und damit noch schlechter als sie. Sie hat ihren Körper verkauft, du hingegen verkaufst dein eigen Fleisch und Blut. Das Kind deiner Schwester. Also gib dich nicht so tugendhaft und spiele nicht die Beleidigte“, fuhr er verächtlich fort, „denn ich biete dir das an, was deine Schwester von jedem Mann angenommen hätte.“
Als ob eine Schleuse geöffnet worden wäre, wurde Ann mit aller Macht von ihren Gefühlen überflutet.
„Sprich nicht so von Carla! Nimm deine Diamanten und gehe daran zugrunde!“
Blind vor Wut drehte sie sich um.
Als sie sich draußen auf dem Flur wiederfand, zitterte sie vor Empörung, ehe sie in ihr Zimmer floh, die Tür schloss und sich auf ihr Bett warf.
Heiße Tränen schnürten ihr die Kehle zu. Das Gesicht in dem Kissen vergraben, weinte sie um Carla in ihrem dunklen Grab. Selbst der Tod konnte sie nicht vor Nikos’ abscheulichen Beleidigungen schützen … ein Mann, der sie in einen wunderschönen Rausch der Gefühle versetzt hatte und der doch glaubte, sie, Ann, sei nichts als eine Hure …
Der Gedanke brannte wie Salz in einer Wunde, schmerzhaft und qualvoll.
Warum reagierte sie so auf ihn? Sie wusste doch, dass Nikos sie für das verachtete, was sie getan hatte. Dass er ihr nun ein Diamantcollier im Tausch für ihren Körper geboten hatte und erwartete, dass sie es annahm, war noch weit schlimmer. Weil es ihr mit brutaler Deutlichkeit zeigte, was sie für Nikos Theakis war. Nichts als eine Hure.
Ein nie gekanntes Gefühl der Hilflosigkeit erfüllte sie und weckte in ihr den Wunsch, sich in ihrem Bett zusammenzurollen und die Arme um sich zu schlingen, als könnte sie so eine brennend schmerzhafte Wunde stillen.
Eine Wunde, die viel tiefer ging, als sie es je hätte zulassen dürfen.
Seit Ann aus seinem Büro gestürmt war, saß Nikos reglos an seinem Schreibtisch.
Sein Blick ging zu der schmalen Schachtel.
Warum hatte sie das Collier nicht genommen?
Das ergab doch keinen Sinn.
All das, was er von ihr wusste und was sie ihm durch ihr Handeln bestätigt hatte, hatte ihm gesagt, dass sie genauso gierig nach dem Schmuck greifen würde wie nach seinen Schecks.
Sogar noch gieriger.
Ein verhaltenes Lächeln umspielte kurz seine Lippen. Schließlich hatte sie es auch nicht abstoßend gefunden, mit ihm in seinem Bett zu liegen …
Es war ein Fehler, an Ann Turner in seinem Bett zu denken. Denn bei dem verführerischen Gedanken stieg sofort heißes Verlangen in ihm auf. Vierundzwanzig quälend lange Stunden war es schon her, seit er mit ihr in dem Strandhaus gewesen war, und sein Körper protestierte, da er dieses Vergnügen nicht hatte wiederholen können. So wie er in der vergangenen Nacht protestiert hatte, als er unbefriedigt geblieben war. Aber zumindest hatte er da noch die Aussicht gehabt, dem mit Hilfe des Colliers Abhilfe zu schaffen.
Absichtlich war er gleich auf den Punkt gekommen, weil er genug von Anns Spielchen hatte. Er hatte ihr das geboten, auf was sie offenbar aus war – und das sicherlich auch der Grund für ihre Ausflüchte war, um ihm noch mehr davon entlocken zu können. Warum sonst sollte sie ihm aus dem Weg gehen? Er musste sie doch nur berühren, um sie zu entflammen – und bei ihm war es genauso. Eine Berührung von ihr genügte, und er wollte sie sofort, ganz.
So wie jetzt auch.
Nervös rückte er in seinem Stuhl hin und her. Warum hatte sie sich geweigert, das Collier zu nehmen? Und was glaubte sie, damit erreichen zu können?
Sein Mund wurde zu einem harten Strich.
Nun, eines hatte sie damit ganz sicher erreicht.
Er griff zum Telefon. Als Yannis am anderen Ende das Gespräch entgegennahm, herrschte Nikos ihn an: „Ruf Kyria Constantis an und informiere sie darüber, dass sie für heute Abend hier zum Essen eingeladen ist.“ Damit legte er den Hörer zurück auf die Gabel und starrte finster ins Leere, dorthin, wo Ann Turner eben noch gestanden hatte.
Sie wollte den Schmuck nicht, und sie wollte ihn nicht. Seine Züge verhärteten sich. Es gab genügend Frauen, die ihn tatsächlich wollten. Und heute Abend würde er Ann Turner einen hübschen Beweis liefern.
9. KAPITEL
Elena Constantis sprach absichtlich Griechisch, um Ann auszuschließen. Ann war froh darum. So konnte sie sich Tina widmen, um mit ihr über die bevorstehende
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