Julia Extra Band 0302
heilen.
Ja, sie musste sich selbst heilen, damit sie in Nikos nichts anderes sehen würde als Tina – einen umwerfend attraktiven Mann, der jede Frau herumkriegen konnte, nur nicht sie. Sie selbst ließ er kalt, schlicht und einfach kalt.
Allerdings war Kälte nicht das Gefühl, das sie gerade durchflutete. Vielmehr durchströmte sie eine sengende Hitze, erfasste jede Zelle ihres Körpers, ihren Geist.
„Ach, Ann, meine Liebe, da sind Sie ja.“ Wie immer war es Sophia Theakis’ sanfte Stimme, die sie aus diesem Strudel auftauchen ließ und wieder zur Besinnung brachte, sodass sie den Blick von diesem Mann nehmen konnte, der sie so magisch angezogen hatte.
Und noch jemand lenkte sie ab, eine kleine Gestalt, die durch den Raum zu ihr lief.
„Onkel Nikki ist wieder da! Und ich schlaf auch nicht ein und platsch nicht mit dem Kopf ins Essen, wie Onkel Nikki gesagt hat!“
Ann beugte sich hinunter, um Ari aufzufangen und seine stürmische Umarmung zu erwidern. Es war ein Segen, dass er beim Abendessen dabei war, genau wie Sam, der wenig später kam, begleitet von Tina. Sie waren ein schönes Paar, und Ann versetzte es einen Stich, die beiden Arm in Arm zusammen zu sehen.
Glückliche Tina, dachte sie, schob den Gedanken jedoch zur Seite, da sie sich darauf konzentrieren musste, das Essen zu überstehen, ohne ihren Blick allzu oft zu Nikos schweifen zu lassen.
Dass sie es schaffte, hatte sie vor allem Ari zu verdanken, der im Mittelpunkt stand und seinen Onkel und Sam mit seinem Geplauder unterhielt. Als das Abendessen sich endlich dem Ende näherte, merkte Ann, dass Ari trotz seiner Beteuerungen, nicht einzuschlafen, immer müder wurde. Sofort ergriff sie die Gelegenheit, hob den Kleinen in die Arme und lächelte den anderen zum Abschied zu, außer dem Mann, der am Kopfende saß.
Wenigstens ignoriert er mich genauso wie ich ihn, dachte sie finster. Und da Tinas Eltern und ihre nahen Verwandten am nächsten Tag kommen und für Ablenkung sorgten würden, könnte sie ihm sicherlich auch weiter aus dem Weg gehen.
Doch ihre Hoffnung wurde schon am nächsten Morgen zunichte gemacht.
„Meine Liebe“, begann Mrs. Theakis während des Frühstücks, „es wäre mir ein großes Vergnügen, wenn Sie mir erlauben würden, Ihnen ein neues Kleid für Tinas Hochzeitsempfang zu schenken.“
Ann zögerte. „Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich habe ein Abendkleid dabei.“
Lächelnd hob Mrs. Theakis die Hand. „Ich bin sicher, dass Sie an einem neuen Kleid viel mehr Freude hätten.“
„Nein, wirklich, mein Kleid ist schön, glauben Sie mir“, beteuerte Ann. Zum einen wollte sie nicht, dass Aris Großmutter Geld für sie ausgab, zum anderen war sie sich bewusst, dass Nikos es ganz und gar nicht billigen würde, wenn sie noch mehr von seiner Familie bekäme.
Und als Mrs. Theakis wieder das Wort erhob, war sie froh, dass sie abgelehnt hatte.
„Nikos fliegt heute nach Athen. Er könnte Ihnen dabei helfen, ein Kleid auszusuchen“, meinte die ältere Frau aufmunternd.
„Nein … bitte … das muss nicht sein“, stammelte Ann.
Zu ihrer Erleichterung ließ Mrs. Theakis das Thema fallen, doch als Ann nach dem Frühstück zu ihrem Zimmer ging, wurde sie an der Tür aufgehalten.
„Zeig mir mal dieses Kleid“, erklang eine barsche Stimme hinter ihr. Erschreckt drehte sie sich um und sah sich Nikos gegenüber. „Meine Mutter ist zu taktvoll, um dich zu bitten, etwas Passendes bei Tinas Empfang zu tragen. Und sollte ich sie nicht von ihrer Idee abbringen können, muss ich wohl oder übel damit leben, dass sie dir ein neues spendiert.“
Scharf sah sie ihn an. „Danke, aber mein Kleid genügt für diesen Abend vollauf!“
„Das werde ich selbst beurteilen“, meinte Nikos finster und drängte sich an ihr vorbei ins Zimmer.
Am liebsten hätte sie ihn wieder fortgeschickt, doch wenn sie auf diese Weise dem Ausflug nach Athen mit ihm entgehen konnte, würde sie seine Anwesenheit ertragen. Schweigend ging sie zum Kleiderschrank und nahm ein Abendkleid heraus, das sie von London mitgebracht hatte. Es war ein wunderschönes Chiffonkleid in dunklem Türkis, das eine Schulter frei ließ, während sich an der anderen Seite ein raffiniert drapierter Träger befand. Das Oberteil, für ihren Geschmack zu tief ausgeschnitten, hatte sie mit einem Abnäher im Träger angehoben. Auch den langen Schlitz seitlich hatte sie sorgfältig zugenäht, weil sie nicht so viel von ihrem Bein enthüllen wollte.
In diesem Augenblick hörte
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